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Als Sultan Salah ad-Din die Stadt Jerusalem eroberte, geriet das Abendland in Aufruhr. Die Stadt musste unbedingt von den Ungläubigen befreit werden. Somit folgten die Mächtigen von England, Frankreich und dem Heiligen Römischen Reich dem Aufruf Papst Clemens III. und brachen 1189 zum Dritten Kreuzzug auf.
Silvia Stolzenburg widmet sich im ersten Band des Zweiteilers einem dunklen Teil der Geschichte des Christentums. Kaiser Barbarossa, Philipp II. von Frankreich und Richard Löwenherz stellen ihr Heer zusammen, um für ein gemeinsames Ziel zu kämpfen. Schnell bemerkt der Leser allerdings, dass zwischen England und Frankreich schon aufgrund von Gebietsansprüchen keine Einigkeit besteht. Richards Mutter Eleonore von Aquitanien ist gleichzeitig die Stiefmutter von Philipp II. und beansprucht aus vergangenen Zeiten einen großen Teil Westfrankreichs. Diese Zwistigkeiten bieten auch für den Verlauf des Kreuzzugs genügend unvorhersehbare Wendungen. Da die drei Herrscher große Teile der Strecke unabhängig voneinander zurücklegten, werden zeitgleich stattfindende Handlungen durch kurze Abschnitte beschrieben. Das ermöglicht eine ständig wechselnde Perspektive. Protagonisten aus den Handlungssträngen geraten so kaum in Vergessenheit. Auch die Sicht der Gefangenen im fernen Orient bleibt nicht unerwähnt.
Sowohl die wechselnde Kulisse als auch die Haupt- und Nebencharaktere werden gleichsam detailliert beschrieben. Historisch belegte und fiktive Persönlichkeiten sind gekonnt zusammengestellt, sodass eine flüssige Handlung entsteht. Dabei verknüpft die Autorin wahre Begebenheiten und füllt Lücken in den Chroniken mit logischen Schlussfolgerungen. Auch Sekundärwissen wie die Dichtung des Nibelungenlieds fließt mit ein. Der schnörkellose Erzählstil ruft je nach Schauplatz mal die Stimmung für romantische Situationen hervor, mal für brutale Kampfszenen. Gerade beim Zusammentreffen der Kreuzfahrer mit den Truppen des Sultans gibt es davon reichlich. Im Nachwort erfährt der Leser, dass diese Szenen keineswegs der Phantasie der Autorin entsprungen sind. Ausgleichend wirken dagegen die Treffen der Hofdamen mit dem englischen Heer.
Die Zeitspanne umfasst fünf Jahre. Begonnen mit dem Aufruf zum Kreuzzug, dem Zusammenstellen der Streitmacht, über den kräftezehrenden Weg von verschiedenen Teilen Europas bis hin zum Kampf vor Jerusalem und dem anschließenden Rückzug bekommt die Geschichte erneut Leben eingehaucht. Auch die Gefangennahme Richards auf dem Rückweg in Österreich bleibt nicht unerwähnt. Manche Dinge werden nach 800 Jahren wohl niemals mehr unumstößlich belegt werden und heutige Historiker können sich nur noch auf das subjektive Empfinden der damaligen Chronisten oder Barden berufen. Dieser historische Roman bietet versierten Lesern nichts, was nicht auch schon in vielen anderen Romanen verwendet wurde. Sein großes Plus ist allerdings die Verständlichkeit, mit der die Ereignisse zusammengefügt und erklärt werden.
Die gebundene Ausgabe erscheint mit einem Lesebändchen und haptisch ansprechendem Papier. Im Buchdeckel ist eine Karte zum Nachverfolgen der Routen abgedruckt. Ein Personenregister und ein erklärendes Nachwort runden das Erscheinungsbild ab. Der Zweiteiler wird im Oktober 2012 mit "Im Reich der Löwin" fortgesetzt. Silvia Stolzenburg ist promovierte Literaturwissenschaftlerin und veröffentlichte bereits eine Trilogie über das Ulmer Münster. Die bereits 2008 für den Sir-Walter-Scott-Literaturpreis nominierte Autorin kann auch mit dem Auftakt um die Herrschaft der Plantagenets überzeugen. Sie gibt dem Mittelalter einen schillernden Anstrich und bringt die Geschichte auf interessante und nachvollziehbare Weise näher. Der historische Roman verlangt, dass seine Leser sich einlassen. Dann entwickelt er aber einen Sog, der eine Unterbrechung fast unmöglich macht.
Einen Trailer zum Buch gibt es auf der Verlags-Website.