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"20 Millionen Menschen aus fast allen Ländern Europas mussten für das nationalsozialistische Deutschland Zwangsarbeit leisten." (S. 6) Mit dieser kurzen, aber prägnanten Information wird in den vorliegenden Ausstellungsband eingeleitet, welcher einen umfassenden Einblick in jenes dunkle Kapitel der deutschen bzw. der europäischen Geschichte liefert. Es handelt sich dabei um die Begleitpublikation zur gleichnamigen Ausstellung, die aufgrund der europäischen Dimension der Thematik als internationale Wanderausstellung konzipiert wurde.
Der Band gliedert sich in zwei große Teile: Während im ersten Teil die Bilder der Ausstellung mit entsprechenden Erläuterungen abgedruckt sind, liefern die Essays des zweiten Teils die notwendigen Hintergrundinformationen.
Der erste Teil wird dabei nochmals in fünf Kapitel untergliedert, welche sowohl die Entwicklung und Grundlagen der Zwangsarbeit von 1933 bis 1939 nachzeichnen als auch die Umsetzung der Zwangsarbeit im besetzten Europa bzw. im Deutschen Reich thematisieren. Zudem rücken Fragen zur "Aufarbeitung und Folgen der Zwangsarbeit" in den Blick. Abgeschlossen wird dieser erste Teil durch kurze Auszüge aus Berichten von Zeitzeugen.
Die Essays des zweiten Teils werden durch eine Überblicksdarstellung zur "Zwangsarbeit im Nationalsozialismus" eingeleitet, die von zwei Aufsätzen zur Forschungslage ergänzt werden. Daran schließen sich zwei Essays an, welche den Zusammenhang von "Vernichtung und Arbeit" bzw. von "Zwangsarbeit und deutsche[r] Gesellschaft" thematisieren, während sich der vorletzte Essay der "Auseinandersetzung um Anerkennung und Entschädigung der Zwangsarbeiter" widmet. Der letzte Aufsatz bietet dagegen mit der Fokussierung auf die "Zwangsarbeit im Bergbau" einen etwas spezielleren, branchenspezifischen Blick, der jedoch durchaus allgemeingültige Einsichten zutage fördern kann.
Der vorliegende Band überzeugt vor allem durch eine Fülle an Ausstellungsdokumenten – in der überwiegenden Mehrzahl handelt es sich um Fotografien –, die fachgerecht erläutert werden. Dadurch entsteht eine einzigartige und umfassende Dokumentation der Zwangsarbeit während der nationalsozialistischen Herrschaft. Gleichwohl fällt bei der Zusammenstellung des Bildmaterials aber auch auf, dass dieses bisweilen etwas redundant ist. So finden sich zum Beispiel auf der S. 26/27 oder auf der S. 110/111 Fotografien, die mehr oder weniger dasselbe zeigen. Zudem ist der Aussagegehalt einiger weniger Fotografien wie beispielsweise jenen zum Lager Bibra (S. 103) beschränkt.
Beeindruckend ist dagegen, wie es der Band schafft, durch einzelne Dokumente den Betrachter bzw. den Leser emotional anzusprechen. Stellvertretend sei hier auf den Auszug eines Augenzeugenberichts aus dem Warschauer Ghetto verwiesen (S. 65), welcher nicht nur durch seine Überlieferungsgeschichte – dieser wurde in einer vergrabenen Metallschachtel gefunden –, sondern auch seinen Inhalt – der Verfasser beschreibt darin die sadistischen Praktiken gegenüber den Zwangsarbeitern – zu den eindringlicheren Zeugnissen des Bandes zählt. Erschütternd und angemessen sind außerdem die Bilder von gedemütigten und erhängten Zwangsarbeitern. Denn was bleibt einem Dokumentationsband zur NS-Zwangsarbeit anderes übrig als die erschütternde Realität zu zeigen, um dadurch den Betrachter die Grausamkeit und Unmenschlichkeit dieses Systems vor Augen zu führen?
Etwas sachlicher geht es hingegen im zweiten Teil des Bandes zu, der jedoch ebenfalls überzeugen kann. Denn die Essays arbeiten auf klare Weise die zentralen Komponenten der NS-Zwangsarbeit heraus, was dazu führt, dass der Betrachter des ersten Teiles mit seinen Eindrücken nicht alleingelassen wird, sondern durch die nüchterne Aufarbeitung eine ergänzende bzw. synthetisierende Perspektive erhält. Etwas erschwert wird dies lediglich dadurch, dass im Essayteil keine Verweise auf Inhalte des ersten Teils zu finden sind, sodass keine ideale Verzahnung der beiden Teile stattfindet.
Trotzdem ein gelungener Ausstellungsband zu einem dunklen Kapitel der deutschen bzw. europäischen Geschichte.