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Mit "Der Spezialist" legt Mark Allen Smith, dessen beruflicher Schwerpunkt bisher das Schreiben von Drehbüchern war, bei Lübbe seinen ersten Roman vor. Der Thriller erschien 2012 unter dem Titel "The Inquisitor" im englischsprachigen Raum.
Im Mittelpunkt der Handlung steht ein Mann, der von allen nur Geiger genannt wird. Seine Identität stellt für seinen Therapeuten, seine Partner und seine für seine Auftraggeber ein Rätsel dar. Geigers Profession ist die Informationsbeschaffung, wobei er sich auf den Einsatz bestimmter Foltertechniken spezialisiert hat. So gehört psychische Folter ebenso zu seinem Leistungsspektrum wie dosierte Gewaltanwendung. Hierbei hält er sich jedoch an ein enges Regelkorsett, welches er sich und seinem Partner Harry auferlegt hat.
Zeitkritische Aufträge sind ebenso ungern gesehen wie Klienten, die noch im Kindesalter sind. Und doch lassen sich die beiden zu einer Ausnahme hinreißen. Der neue Klient ist gerade zwölf Jahre alt, hört auf den Namen Ezra und soll von Geiger dazu gebracht werden, den Aufenthaltsort seines Vaters preiszugeben.
Der Autor hält sich nicht lange mit dem Aufbau eines Spannungsbogens auf, sondern wirft den Leser stattdessen direkt in die Handlung. Harte Folterszenen mit einem hohen Anteil anatomischer Schilderungen wechseln sich mit Rückblenden und der verwirrten Gedankenwelt Geigers ab.
Schnell erkennt man, dass Geiger kein sympathischer Protagonist ist. Seine Tätigkeit macht ihm zwar keinen Spaß, bereitet ihm jedoch auch keine Albträume oder Gewissensbisse. Geiger hat das Foltern studiert und seine Techniken perfektioniert. Er ist schlicht der Beste in seinem Job. Trotzdem kann er im Lauf der Geschichte den Leser für sich einnehmen - was nicht zuletzt an seinen unsympathischen Widersachern liegt.
Die anderen Charaktere, also sein Partner Harry, der junge Ezra sowie der Therapeut, bleiben neben Geiger etwas blass, wenngleich hier auch nur unwesentlich mehr Raum für Tiefe gewesen wäre. Auf annähernd 350 Seiten liest sich die Geschichte zu jedem Zeitpunkt flüssig, doch jedermann außer Geiger wirkt beliebig und austauschbar.
So viel Mühe sich Smith mit seinem Antihelden gegeben hat, so wenig Energie lässt er in die Umweltbeschreibungen einfließen. Während Räumlichkeiten ausführlich geschildert werden, beschränkt er sich beim Rest der Geschichte, die zum Ende häufig Tempo durch Szenenwechsel aufbaut, auf die Nennung von Straßennamen, um dem Geschehen einen örtlichen Bezug zu geben.
Die Handlung ist spannend und über weite Strecken durchaus realistisch. Zum Ende der Geschichte mutiert Geiger allerdings zu einem wahren Übermenschen. Mehrfach verprügelt, physisch gefoltert und angeschossen, gelingen ihm immer noch wahre Wunder. Hier wäre weniger mehr gewesen, allerdings hätte sich der Autor dann der Möglichkeit auf eine Fortsetzung beraubt.
"Der Spezialist" ist spannende und kurzweilige Thriller-Unterhaltung für zwischendurch. Smith fällt durch seine detaillierten anatomischen Schilderungen und das Gespür für dramatische Szenen auf, die zum Teil Kino-Niveau erreichen.
Im letzten Drittel wird die Handlung jedoch zunehmend unglaubwürdiger und nicht alle Charaktere können in ihrem Handeln überzeugen.
Man darf gespannt sein, ob man in Zukunft noch mehr vom Held wider Willen aus der Feder von Smith lesen wird.
Eine Leseprobe wird vom Verlag zur Verfügung gestellt.