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Die 17-jährige Wren entstammt einer alten Linie von Hexen. Darüber spricht aber niemand mit ihr. Vor einigen Jahren - kurz nachdem ihr Vater die Familie verlassen hat - hat ihre Mutter den Kontakt zu ihrer Verwandtschaft komplett abgebrochen. Seither schweigt sie sich über jedes Wort zur Zauberei aus. Widerwillig fügt sich Wren in diese Situation und übt auf eigene Faust das Hexen.
Ein schwerer Fehler, wie sich herausstellt, denn als es zu einer Katastrophe kommt und Wren beschließt, mit Magie dagegen vorzugehen, gerät ihr Leben völlig aus den Fugen. Danny, Wrens erste große Liebe, stirbt bei einem Autounfall. Ohne über die Konsequenzen nachzudenken, holt Wren ihn mit einem Ritual von den Toten zurück. Doch ist es wirklich Danny, der wieder bei ihr ist?
Der Junge, den sie liebt, ist nur noch ein Schatten seiner selbst, der wie ein Zombie jeden ihrer Wünsche erfüllt. Um ihn und sich zu schützen, versteckt Wren Danny in einer kleinen Wohnung auf dem Dachboden der Nachbargarage. Von da an besteht ihr Leben nur noch daraus, allen anderen vorzuspielen, es sei alles in Ordnung, und in den Nächten Danny davon zu überzeugen, dass er sich versteckt halten muss. Die Situation zehrt an ihr und Wren weiß, sie muss bald eine Lösung finden. Doch wie diese aussehen könnte, davon hat sie keine Ahnung. Erst als ihr Mitschüler Gabriel in ihr Leben trifft, wird ihr klar, dass sie eine Entscheidung nicht mehr weiter aufschieben darf. Gabriel erfährt von Danny und ist bereit, ihr zu helfen, denn auch er selbst verbirgt ein Geheimnis vor seinen Mitmenschen ...
Nicht erst seit "Harry Potter" sind Hexen ein Thema, das in phantastischen Jugendromanen immer wieder thematisiert wird. Amy Garveys "Deine Lippen so kalt" reiht sich ein in eine ganze Masse von Büchern für Leser ab 12, in denen ein junges Mädchen lernen muss, mit seinen übernatürlichen Kräften zurechtzukommen. Anders als in vielen anderen Fällen ist es aber nicht die Entdeckung der Zauberei, die das Buch spannend machen. Tatsächlich sind Wrens magische Kräfte zwar durchweg präsent und wichtig für die Handlung, das übernatürliche Element setzt die Autorin aber dennoch wohl dosiert ein. Stattdessen überzeugt "Deine Lippen so kalt" vor allem auf emotionaler Ebene: Der Autorin gelingen sämtliche Beziehungen der Figuren untereinander bemerkenswert realistisch. Wren hat sich selbst bereits zu Beginn der Handlung in eine unmögliche Situation gebracht, die sie von anderen isoliert. Danny fordert ihre ganze Aufmerksamkeit und sie scheint ständig erschöpft und am Ende ihrer Kräfte. Klar, dass das ihre Beziehung zu ihren besten Freundinnen Darcia und Jess, zu ihrer kleinen Schwester und zu ihrer Mutter stark beeinflusst. Sowohl Wrens Gefühlslage als auch ihre Motivation bescheibt Amy Garvey so schlüssig und mit so viel Gespür, dass man mit der Ich-Erzählerin schnell sympathisiert, mit ihr leidet und sie auch dann versteht, wenn man nicht ihrer Meinung ist: Sie hat einen schrecklichen Fehler begangen und weiß selbst nicht, wie sie diesen wieder gut machen soll. Wren muss lernen, Hilfe anzunehmen. Das ist eine Situation, die auch den meisten Lesern geläufig sein dürfte – auch wenn diese sicher nie mit einem ganz so abgefahrenen Problem zu kämpfen hatten wie Wren.
Ebenfalls als sehr ehrlich und ergreifend erweist sich die Schilderung der Gefühle von Wren zu Danny und von Wren zu Gabriel. Wer eine plumpe Dreiecksgeschichte befürchtet, darf beruhigt sein. Amy Garvey geht ehrlich mit ihren Figuren ins Gericht, die trotz widerstrebender Gefühle sympathisch bleiben. Da ist es gar nicht so schlimm, dass die Magie etwas in den Hintergrund tritt und das Finale ein wenig kurz gerät.
Einzig ärgerlich ist, dass Amy Garvey mit ihrer Geschichte um Wrens Vater und um die Geheimniskrämerei ihrer Mutter zu sehr hinter dem Berg hält. Der Leser spürt deutlich, dass hier mehr vor sich geht, als Wren bisher erraten hat. Doch des Rätsels Lösung wird dem Publikum vorenthalten. Da in den USA bereits eine Fortsetzung von "Deine Lippen so kalt" erschienen ist, bleibt zu hoffen, dass ein Sequel diese Frage klärt.
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