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 Rue des Maléfices

Straße der Verwünschungen

Autoren: Jacques Yonnet
Illustratoren: Jacques Yonnet
Übersetzer: Karin Uttendörfer
Verlag: Matthes & Seitz

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Der wahre Reiz einer Stadt ergibt sich nicht aus ihren Bauwerken und Denkmälern, sondern aus ihren Menschen und den Geschichten, die sich in ihr abspielen. Jaques Yonnet hat die geheime Chronik Paris' aufgezeichnet und die mystischen und außergewöhnlichen Begebenheiten, die die Stadt erlebt hat, gesammelt.

In siebzehn Kapiteln, einige davon mit Datumsangabe, gibt Yonnet Einblicke in die Gassen und Kneipen links und rechts der Seine. Dabei wechseln sich Geschichten mit Flüchen, Prophezeiungen und Magie, mit autobiografischen Berichten aus der Résistance und der Nachkriegszeit ab. So ist der Erzähler unter anderem dabei, wie ein Schuldner, dessen Gläubiger ihm die Ohren abschneiden will, ebenjene magisch behandeln lässt, auf dass sie dem neuen Besitzer, einmal vom Kopf abgeschnitten, Pech bringen mögen.

Nachdem das Pech den Gläubiger - nun im Besitz der Ohren - ereilt und er hingerichtet wird, gelangen die ledrigen Ohrmuscheln zur Prostituierten Solange. Diese arbeitet in einem ganz besonderen Zimmer, das jeden ihrer Freier dazu bringt, ihr die Wahrheit zu sagen, was sein Leben und seine Wünsche angeht. So erfährt Solange auch, dass ein Bekannter des Erzählers als Gestapo-Spitzel tätig ist, und kann den Protagonisten kurz vor seinem Auffliegen warnen. Der Protagonist erschießt daraufhin - wie auch Jaques Yonnet es als Widerstandskämpfer der Résistance getan hat - den Doppelagenten.

Dieses Spiel mit fantastischen Geschichten voller Magie und wahren biografischen Begebenheiten erzeugt eine fesselnde Atmosphäre, die den Leser, der sich darauf einlässt, in ein anderes Paris mitnimmt, ein Paris, in dem mittelalterliche Sagen und neuzeitliche Probleme nebeneinander existieren.

Die Geschichten, die sich um die Straße der Verwünschungen zutragen, sind keine leichte Kost. Die Dichte, mit der Yonnet sie vorträgt, ist geeignet, den Leser zu erdrücken und zu beklemmen. Es wäre illusorisch, die siebzehn Kapitel am Stück lesen zu wollen.

Das Werk, das eine Melange aus biografischen Erzählungen und fantastischen Begebenheiten darstellt, lässt sich auch vom Stil her nicht eindeutig einordnen. Charaktere, die der Erzähler als Bohemiens bezeichnet, die jedoch als Obdach- und Arbeitslose ebenso in Charles Bukowskis Werken ihren Platz finden würden, bewegen sich in einer Gesellschaft, die so penibel seziert wird wie bei Honoré de Balzac.

Wer das Paris des einundzwanzigsten Jahrhunderts kennt, wird sich wundern, wie sozial durchmischt das Pariser Zentrum noch nach dem Zweiten Weltkrieg war. Gesellschaftliche Schichten, die heute schon längst in die Banlieues verdrängt sind, tummelten sich damals noch an den Quais der Seine. Wer sich auf den verschachtelten Schreibstil Yonnets einlässt, taucht ein in ein völlig vergessenes Paris, von dem man nur noch selten liest. Aber unbedingt mehr lesen sollte.

Mehr Informationen und eine Hörprobe gibt es auf der Verlagsseite.

Sebastian Langer



Hardcover | Erschienen: 21. November 2012 | ISBN: 9783882215557 | Originaltitel: Enchantements sur Paris | Preis: 34,90 Euro | 352 Seiten | Sprache: deutsch

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