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Kinder finden in einem Waldstück, im Gebüsch kauernd, eine völlig verstörte junge Frau. Sie wird in die Psychiatrie eingeliefert, zumal sie mit niemandem spricht.
Etwa zeitgleich geht ein Anruf bei der Polizei ein: Im Nachbarsgarten bellten ständig die Hunde, ohne dass der Besitzer ihnen die Tür öffne. Polizisten, die schließlich die Haustür aufbrechen, finden den 71-jährigen Eigentümer offensichtlich ermordet und nackt in seinem Schlafzimmer.
Die junge Frau aus der Psychiatrie heißt Manuela Scriba. Sie öffnet sich ihrer Therapeutin, erzählt, wie sie als noch kleines Mädchen nachts ihren schon alten, stark dementen Vater betreuen musste, während die Mutter als Krankenschwester arbeitete, um die Familie durchzubringen. Nach und nach schildert Manuela ihre verstörenden Erfahrungen mit dem verwirrten Mann, der sie nie als Tochter akzeptiert hat, und dessen Verhalten eine noch nicht einmal Zwölfjährige natürlich nicht begreifen konnte. Ihrer Therapeutin erschließt sich eine zerstörte Seele, deren Trägerin schließlich durch eine unglückliche Fügung in eine erneut unerträgliche und scheinbar ausweglose Situation gerät. Doch sie ist kein schwaches Kind mehr ...
Andrea Sawatzki, eine der zu Recht bekanntesten Schauspielerinnen Deutschlands, hat nun also ihren ersten Roman veröffentlicht, einen Krimi, der aber eigentlich vor allem ein sich allmählich entwickelndes Psychogramm darstellt. Dieses wirkt plausibel und sehr ordentlich recherchiert: Ein Mädchen, das kaum die Grundschule abgeschlossen hat, wird mit einer Aufgabe konfrontiert, die sehr viele Erwachsene überfordern würde; auf die sich entwickelnde Persönlichkeit des von der ebenfalls recht hilflosen Mutter seelisch völlig im Stich gelassene Kindes wirken die traumatischen Erfahrungen regelrecht toxisch.
Ein Schulabschluss und Ausbildungsberuf sind auf diese Weise nicht möglich, und Manuela Scriba driftet über diverse Jobs rasch in ein Milieu, in dem sich viele Gestrandete finden.
Nun baut die Autorin ihre Figur zwar durchaus mit Tiefgang und einem Gespür für enorme Abgründe auf, doch ein Krimi lebt auch von Spannung, und diese fehlt im Vergleich zu Werken anderer Krimiautorinnen entschieden: Ist das Ende beziehungsweise die Auflösung doch schon fast von Anfang an zu erahnen und auch der kausale Zusammenhang viel zu früh vorhersehbar.
Wenn Manuela Scriba, wie erwähnt ohne Schulabschluss und früh im "Milieu" angekommen, ihrer Therapeutin von ihrer Vergangenheit erzählt, tut sie das in einer Sprache, die viel zu gepflegt ist für die Person, die sie verkörpert und somit schlicht nicht passt; dies gilt auch für ihre sorgfältige Selbstreflexion. Hierdurch geht die Authentizität verloren. Auch lässt die Autorin ihre Protagonistin sehr strukturiert berichten. Rückblenden in Form der Erinnerungen, die Manuela heimsuchen, ergänzen die Gesprächsrunden mit der Psychiaterin. Der schmucklose, glatte Stil verhindert neben der insgesamt etwas "dokumentarischen" Aufbereitung, dass sich der Leser wirklich in die Protagonistin einfühlen kann oder das überhaupt möchte.
Zudem wirkt die Erzählung insgesamt zu gehetzt, als dass sich die atemlose Spannung, wie sie Psychothriller auszeichnet, entfalten könnte. Frau Sawatzki hat ein gern verwendetes Thema aufgegriffen, daher liegt die Messlatte hoch – und dieses Buch verfehlt sie um etliche Zentimeter. Eher wenig Buch für vergleichsweise viel Geld.
Eine
Leseprobe wird auf der Verlagsseite zum Buch angeboten.