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Achtung: "Das Versprechen im Morgengrauen" ist der zweite Teil der Trilogie "Shanghai" des Autors Mathieu Mariolle und des Illustrators Yann Tisseron, der gemeinsam mit Mikael Bourgouin auch für das Storyboard verantwortlich ist. Wer "Das Kind des Regens"
(Rezension hier nachzulesen) noch nicht kennt, sollte die folgende Inhaltsangabe auslassen.
Zehn lange Jahre hat der entmachtete und ins Exil geflohene Kaiser abgewartet, Pläne geschmiedet, verworfen, neu überdacht und wieder verworfen. Nun aber soll China, die Kolonialmächte, die Kaiserwitwe und die Triaden vor ihm erzittern. Er ist im Besitz des kostbarsten Artefaktes der Menschheitsgeschichte.
Das kleine, fast zarte mechanische Herz in seiner Hand wird die größte und mächtigste Nation der Erde in seinen Grundfesten erschüttern und für immer verändern. Mit Hilfe dieser genialen Erfindung des fast unbekannten Uhrmachers muss ihm gelingen, was er zehn Jahre ersehnt hat. Damit wird es ihm möglich sein, China in die Moderne zu führen, seine Gegner zu zerschmettern und ein Reich für die Ewigkeit zu erschaffen.
Der Leser von "Kind des Regens" mag es geahnt haben. Aus dem Historiendrama, das im Jahre 1908 ein komplexes Bild Shanghais, Chinas, der Machtintrigen am Hofe und der Triaden entwirft, wird urplötzlich ein Fantasy-Epos.
Doch das mechanische Herz, die gewaltige Terrakotta-Armee, der Kaiser, die Kaiser-Witwe, die Triaden und die Intrigen der Kolonialmächte treten überraschender in den Hintergrund. Das bildgewaltige Abenteuer kreist stattdessen um die Gefühle, Pläne und Ängste zweier Frauen. Um
Yu Xin - der Auftragsmörderin und engsten Vertrauten von Kien Tang, des mächtigsten Chefs der Shanghaier Triaden und um
Jade, einer Zirkusartistin, die im Auftrag des Kaisers das mechanische Herz finden sollte.
Die blutigen Auseinandersetzungen der Triaden und der beginnende Feldzug des Kaisers bilden die Kulisse für ein Duell zweier Frauen, die scheinbar nicht unterschiedlicher sein können - und doch Gemeinsamkeiten offenbaren, die sie tief in ihrem Inneren verborgen haben.
Leider überzeugt dieser zweite Teil nicht. Zwar zieht Tisseron alle Register seines Könnens und findet mit traumwandlerischer Sicherheit einen Weg zwischen Blut und Gefühl, Mordlust und Verletzlichkeit, Fantasy und Realität – doch können weder der Text noch das Storyboard diesem elegischen Fluss der Bilder folgen. Fast nebeneinander, ohne wirklichen Kontakt schweben Bilder und Text in unterschiedlichen Sphären dahin, selten in Kontakt tretend, noch seltener sich ergänzend. Es entsteht keine innere Spannung, sondern eine Leere, die den Leser ein wenig enttäuscht zurücklässt.
Wie soll dieses seltsam entrückte Fantasy-Abenteuer im dritten Teil noch die Zielgrade erreichen und alle Fäden miteinander vereinen?
Wer sich von der grandiosen Splitter-Qualität, den beeindruckenden Bildern und dem seltsam isolierten Text ein eigenes Bild machen will, sollte die ausführliche Leseprobe auf der
Verlagswebsite genauer in Augenschein nehmen.