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Chancengleichheit gilt allgemein hin als wichtiger Wert sowohl in der Politikwissenschaft als auch in der politischen Auseinandersetzung. Liberale Gesellschaften, das scheint ein unhinterfragter Konsens zu sein, basieren unter anderem darauf, dass alle Menschen gleiche Chancen haben müssen. Ivo Wallimann-Helmer widerspricht dieser These und hält das Konzept der Chancengleichheit im Liberalismus ideengeschichtlich für überbewertet.
In seiner knapp 300-seitigen Dissertation kommt er zu dem Ergebnis, dass Chancengleichheit ein Ideal darstelle, dessen Bedeutung aus verschiedenen Gründen überschätzt wird. Dafür klärt er den Begriff der Chancengleichheit zunächst, indem er ihn ausdifferenziert. So unterscheidet er zwischen substanzieller und prozeduraler Chancengleichheit und erläutert in zwei Abschnitten ihre Struktur und Probleme.
Zwei weitere Abschnitte beschäftigen sich mit dem Verhältnis von Chancengleichheit und Freiheit und mit der Funktion des Konzeptes in liberalen Theorien. Im letzten Abschnitt kommt er schließlich zur kritischen Auseinandersetzung mit der Bedeutung der Chancengleichheit, bevor das Buch mit einem angehängten Literaturverzeichnis endet.
Ivo Wallimann-Helmers Buch "Chancengleichheit im Liberalismus" ist eine überzeugend argumentierende ideengeschichtliche Arbeit. Der versierte Leser wird vielleicht nicht jede These und Argumentation mitgehen, aber er wird sie mit Gewinn und Interesse lesen. Die Dissertation ist deshalb so interessant, weil sie eine selten hinterfragte und gemeinhin sowohl in den Geisteswissenschaften als auch in der Politik einfach akzeptierte These zurückweist: dass Chancengleichheit und Liberalismus zusammengehören.
Dabei weist der Autor in seiner stringenter Argumentation einiger Widersprüche auf. Je nachdem, ob Chancengleichheit als prozedural oder substanziell aufgefasst wird, fehlt immer ein wichtiger Aspekt, damit sie nicht mit den Zielen des Liberalismus in Widerspruch gerät. So arbeitet Wallimann-Helmer auch ein spannungsreiches Verhältnis zwischen Freiheit und Chancengleichheit heraus, das nicht ohne Weiteres auflösbar ist.
Am Ende kommt der Autor zu dem Ergebnis, dass dies gar nicht so gut zum Liberalismus passt, wie allgemein angenommen wird. Das ist Ergebnis einer 250-seitigen Argumentation, die vollständig nachvollzogen werden muss vom Leser, um sie würdigen zu können. Wer es macht, wird sicher seine Freude daran haben.
Fazit: Diese Dissertation ist allen Lesern mit einem intensiven Interesse an ideengeschichtlichen Problemen sehr zu empfehlen.
Eine Leseprobe gibt es auf der Verlagswebsite.