Passend zur dunklen Jahreszeit veröffentlicht der Hörverlag acht klassisch-schaurige Geschichten sowie achtzehn unheimliche Balladen und Gedichte auf neun CDs in einer Box mit dem Namen "Schauergeschichten". Natürlich darf dabei der Meister des Schreckens nicht fehlen: Edgar Allan Poe.
Ausgewählt wurden hierfür seine bekannten Geschichten "Der schwarze Kater", "Das verräterische Herz" und "Der Untergang des Hauses Usher", die sehr bedrückenden Erzählungen "Die Grube und das Pendel", "Die Maske des roten Todes" und "Das ovale Porträt". Ergänzt ist die Box um jeweils eine Geschichte von Jeremias Gotthelf ("Die schwarze Spinne") und Nikolaj Gogol ("Der Wij").

Die vorliegenden Geschichten sind allesamt sehr bedrückend und nehmen meist einen schrecklichen Ausgang für ihre Akteure. Damit sind diese ausgezeichnet für lange, dunkle Winterabende geeignet, in denen eine gespenstische Stimmung erzeugt werden soll.
Generell handelt es sich hierbei um schlichte Lesungen ohne musikalische Untermalung oder anderweitige Effekte. Dementsprechend fällt sofort auf, dass die Lesungen vor Publikum stattfinden. Es ist ein - zwar nicht störender - gedämpfter Widerhall, manchmal Applaus oder leises Gelächter, wie bei der Ballade "Die Rache. Eine schändliche Ballade" von Ludwig Eichrodt, zu vernehmen.
Gelesen wird von Manfred Zapatka, Sibylle Canonica und Rolf Boysen, der mit fünf CDs den Hauptanteil übernimmt. Leider rezitiert besonders er diverse Wörter extrem betont und macht viele lange Pausen, was holperig klingt. Zwar gewöhnt sich der Hörer mit der Zeit daran, jedoch bleibt die Lesung schleppend und klingt nicht etwa so spannend und düster, wie sie hätte sollen. Ob man Gefallen daran findet oder nicht, ist Geschmackssache, daher empfiehlt sich die (wenn auch nur kurze) Hörprobe auf der Verlagsseite.

Da die Erzählungen und Balladen der verschiedenen Autoren vorwiegend aus dem (frühen) 19. Jahrhundert stammen, liegt diesen auch eine schwer zugänglichere Sprache zugrunde, weshalb sich der Hörer konzentrieren muss. Daher sind die CDs also nichts für die Autofahrt nebenher. Das gilt besonders für Gotthelfs Novelle "Die schwarze Spinne" mit ihrer komplexen Erzählstruktur. In jener wird der Versuch unternommen, den Teufel um seinen Lohn zu betrügen, was natürlich fatale Konsequenzen hat. Der dabei aufgezeigte (religiöse) Kontrast zwischen Gut und Böse ist heute allerdings nicht mehr als schaurig, sondern eher als lehrreich zu bezeichnen.
Ob ferner die neunte CD zusagt, hängt von den persönlichen Vorlieben ab, denn hierauf befinden sich die achtzehn Gedichte und Balladen, die alle von Boysen gelesen werden. Doch im Großen und Ganzen überzeugt die gute Zusammenstellung, die unter anderem mit Goethes schön düsterem Klassiker "Der Erlkönig" und "Der Zauberlehrling" oder "Der Knabe im Moor" von Annette von Droste-Hülshoff aufwarten kann. Gleichwohl sollte auch hier die CD nur um des Hörens willen selbst eingelegt werden, um den Handlungen in Reimform und der alten Sprache folgen zu können.

Das Booklet und die neun CDs befinden sich gut geschützt, jeweils in einer Klarsichthülle, in einer stabilen Pappbox, die von einem passenden düsteren Motiv geziert wird. Ein großer Vollmond ragt auf der Vorderseite, dessen Licht die Silhouetten schwarzer Vögel und einiger knorriger Äste hervorhebt. Alles sehr passend, ansprechend und stimmungsvoll. Die Vögel finden sich zudem als Druck auf den CDs.

Fazit: Obwohl die Lesungen bisweilen enttäuschen und kein hundertprozentiger Hörgenuss aufkommen will, ist hier eine schöne Auswahl an klassischen Gruselgeschichten, Gedichten und Balladen beliebter Autoren getroffen worden. Wer über die akustischen Schwächen hinwegsehen kann oder diese nicht als solche empfindet, für den bietet "Schauergeschichten" mehrere Stunden eine literarisch-guter Unterhaltung.