Mit nichts als den Kleidern am Leib ist die sechzehnjährige Gaia mit ihrer neugeborenen Schwester ins Ödland aufgebrochen, doch welche Wahl hatte sie sonst? Ihre Eltern sind ermordet worden, ihr Retter wurde verhaftet und jedes Aufbegehren gegen das System wird mit unnachgiebiger Strenge geahndet. Doch auch das Ödland ist unnachgiebig zu dem, der kein Wasser hat und sein Ziel nicht genau kennt.

Nur einem Zufall verdankt es Gaia, dass sie, statt elendig zu verdursten, in letzter Sekunde am Ende ihrer Kräfte im Ödland von einem Fremden gefunden und in die vermeintliche Sicherheit der Enklave Sylum gebracht wird. Sylum ist eine Siedlung mitten in einem Sumpf, und obwohl hier die Frauen das Sagen haben, muss Gaia schnell feststellen, dass sie eigentlich nur vom Regen in die Traufe geraten ist … Gleich zu Anfang wird Gaia ihre Schwester genommen, und als sich Gaia als zu rebellisch erweist, wird ihr von der Martrach, dem weiblichen Oberhaupt Sylums, auch noch die Freiheit genommen. Doch dieses Mal ist Flucht keine Option, denn eine merkwürdige Krankheit hält jeden in Sylum, der die Siedlung einmal betreten hat; verlässt man Sylum trotzdem, stirbt man innerhalb von zwei Tagen.
Verzweifelt und entmutigt gibt sie beinahe auf. Schließlich besinnt sich Gaia jedoch darauf, dass vor allem anderen das Leben zählt, und als Hebamme hat sie einen unschätzbaren Wert für die Siedlung, in der immer weniger weibliche Kinder geboren werden und die über kurz oder lang ihrem Ende entgegen sieht …

"Das Land der verlorenen Träume" ist der zweite Band aus der Feder von Caragh O'Brien und schließt unmittelbar an die Handlungen aus "Die Stadt der verschwundenen Kinder" an.

Schnell muss sich der Leser eingestehen, dass sich für die Hauptfigur nichts zum Besseren gewendet hat. Sylum, die Siedlung, auf die die Hauptfigur Gaia ihre ganze Hoffnung gesetzt hat, ist eigentlich genauso wie ihre Heimatstadt, nur dass in Sylum die Frauen aufgrund ihrer Minderheit und ihrer Bedeutung für den Fortbestand der Siedlung das Sagen haben. Eine Minderheit beherrscht die Mehrheit, es gibt abstruse Verhaltensregeln und übertriebene Bestrafungen, um die wacklige Ordnung aufrechtzuerhalten. Und während man die Enklave noch verlassen konnte, ereilt jeden den Tod, der versucht, aus Sylum zu entkommen.

Eine brenzlige Ausgangssituation - und wieder einmal beweist die Hauptfigur Standhaftigkeit und ihren unerschütterlichen Glauben an das, was richtig und was falsch ist; sie drückt damit auf ihre unvergleichliche Art auch dieser Siedlung ihren Stempel auf. Wie weit dies geht, muss man sich aber schon selbst erlesen.

Eigentlich erzählt die Geschichte damit von nichts Großem, es geht um Werte, Regeln, das Überleben, die freie Entscheidung, darum, eine Wahl zu haben und auch um die Liebe. Aber hier zeigt sich im Kleinen, dass es keiner großen Action oder Erotik braucht, um den Leser bei der Stange zu halten: Hat man einmal angefangen, kann man einfach von diesem Buch nicht mehr lassen.

Und wem das noch nicht reicht, für den legt die Autorin aufgrund ihres dystopischen Schauplatzes noch einen drauf, weil sie den Leser damit konfrontiert, dass alles, was wir heute tun, auf die Zukunft unwiderrufliche Einflüsse hat.

Abgerundet wird das Buch durch eine Bonusgeschichte namens "Ein Zeichen des Neubeginns". Diese Kurzgeschichte könnte auch leicht als Epilog für dieses Buch durchgehen, denn sie erzählt von Ereignissen, die mit nur wenig zeitlichem Abstand zur aktuellen Handlung passieren. Um was es genau geht, soll aber an dieser Stelle nicht verraten werden, um die Vorfreude nicht zu schmälern.

Alles in allem ein wirklich gelungener zweiter Band, der den Leser von Anfang bis Ende zu fesseln weiß und neugierig darauf macht, wie es weiter gehen wird.

Eine Leseprobe ist auf der Verlagsseite zu finden.