Jim Henson. Er ist einer der ganz Großen. Die Muppet Show und die Sesamstraße zählen zu seinen bekanntesten Werken. Fantasy-Fans haben sofort die Filme "Die Reise ins Labyrinth" und 2Der dunkle Kristall" im Kopf. Hensons Kreativität kannte scheinbar keine Grenzen. Zusammen mit Jerry Juhl hat er jahrelang Filme, Serien und Ideen entwickelt. Heute nur noch wenig bekannt ist der experimentelle Kurzfilm "Time Piece". Hierbei handelt es sich nicht um klassisches Storytelling, sondern um eine Flut von Bildern, die den Zuschauer in den Bann zieht. Das ist Kunst, die Spaß macht.
Auf der gleichen Art "Bilder zu erzählen" beruht auch "Tale of Sand", evtl. wäre sogar der Begriff "Fortsetzung" angebracht. Diese Geschichte von Jim Henson und Jerry Juhl lag als komplettes Drehbuch vor und wurde sogar mehrfach überarbeitet. Angedacht war ein Film in Spielfilmlänge, doch dazu sollte es nie kommen. Aufgrund von Absagen und anderen Projekten, die die komplette Aufmerksamkeit der beiden beanspruchte, fiel das Projekt der Vergessenheit anheim. Bis jetzt. Den als pfiffige Unternehmensgruppe hat es sich die "Jim Henson Company" nicht nehmen lassen, das Projekt doch noch einem breiten Publikum zugänglich zu machen, die Fans werden es ihnen danken. Als Medium wurde die Graphic Novel gewählt, eine kluge Entscheidung, bietet dieses Medium doch außerhalb eines kostspieligen Films die besten Möglichkeiten die bizarre Welt des "Tale of Sand" darzustellen. Zusätzlich bietet es den Rahmen eine Story zu erzählen, die mit nur sehr wenig Worten auskommt.
Gerne würde ich einen kurzen Abriss darüber geben, worum es in der Geschichte geht, eine kleine Inhaltsangabe, damit der potenzielle Leser weiß, worauf er sich einlässt. Aber der Versuch eine solche zu schreiben hat mich immer wieder Zeilen löschen lassen und nun gebe ich es einfach auf. Versuchen Sie doch mal eine Inhaltsangabe ihrer Traumwelten der letzten Woche zu verfassen, dann können sie sich ungefähr vorstellen, warum dieses Unterfangen so erfolglos war. In der Tat wirkt hier alles wie ein Traum. Erzählt wird die Geschichte eines Mannes in einer Wüste. Und das ist auch schon das einzig sichere, was ich mitteilen kann. Er kommt auf eine Party, wird auf eine Reise geschickt, bekommt merkwürdige Ausrüstung überreicht und dann wird es immer absurder. Mit einem riesigen, hölzernen Schlüssel ausgerüstet begegnet er einem üblen Typen, Löwen, Indianern. Dabei ist sein einziges Ziel scheinbar, sich endlich eine Kippe anzuzünden. Klingt verrückt und ich hätte es besser wirklich sein lassen sollen, mich an einer Zusammenfassung zu versuchen? Ja, denke ich auch, aber irgendwas muss man doch schreiben ... Oder nicht? Schauen Sie sich die ersten Seiten doch einfach selbst an!
Also, Hand auf's Herz, werden sie sagen wollen, worum geht es denn nun tatsächlich? Die Wahrheit ist, ich weiß es nicht! Jedenfalls nicht, wenn ich über die Handlung reden soll. Es geht hier um Kunst. Um wundervolle Bilder und den Genuss einer jeden einzelnen Zeichnung. Es geht um eine Reise und um das, was der Leser sehen will. Es geht um Gefühle und eine Suche, um das Finden und Entdecken. Um die Flucht und das Gefangen sein. Und um die Freiheit. Es geht darum, in die Welt von Jim Henson und Jerry Juhl einzutauchen und sich schlicht verzaubern zu lassen.
Und natürlich geht es auch um die Welt von Ramón Pérez, den Zeichner dieses Bandes, denn er hat all dem erst Leben eingehaucht. Und was für eins! Er zeigt die Welt des "Tale of Sand" in Pastellfarben, alles wirkt dadurch irgendwie ein bisschen gedämpft und immer freundlich. Selbst wenn das Geschehen komplett aus dem Ruder läuft. (Aber seien wir ehrlich, das tut es schon ab der ersten Seite ...) Nur sehr sparsam setzt er knallige Farben ein. Bei Mündungsfeuer und Explosionen. Dann gibt er auch seinen zarten, runden Zeichenstil auf und geht zu harten Kanten und Ecken über. Ein faszinierender Kunstgriff, der großartig funktioniert und eindeutig dabei hilft, die passenden Geräusche im Kopf des Lesers entstehen zu lassen.
Dieser Prachtband lohnt sich für jeden Fan. Egal ob von Jim Henson, Kunst im Comic oder schräger Traumwelten. Zusätzliche Texte von und über die Macher geben dem Leser viele Informationen an die Hand, um zu verstehen, was er da überhaupt in der Hand hält. Und dann gibt es da noch das Cover. Dieses unglaubliche Cover. Nach dem Lesen konnte ich den Band minutenlang nicht aus der Hand legen und musste immer wieder darüber streichen. Ich habe keine Ahnung, was das für eine Technik ist, aber es fühlt sich gleichzeitig rau und ganz weich an, so als würde man mit der Hand durch warmen Wüstensand gleiten. Wie passend.
Fazit: Comic-Kunst oder Kunst-Comic? "Tale of Sand" ist beides!