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Kennen Sie Alexander Cartellieri, Wilhelm Eildermann oder Gertrud Schädla? Nein? Dann werden Sie diese mit diesem Buch kennenlernen. Denn alle drei sind Zeitzeugen des Kriegsbeginns im Sommer 1914 und dienen dem Journalisten Tillmann Bendikowski als Beispiele, um die Ereignisse im Sommer 1914 aus einem jeweils persönlichen Blickwinkel nachzuzeichnen. Ergänzt werden diese Blickwinkel durch jene des weitaus bekannteren Schriftstellers Ernst Stadler sowie durch Kaiser Wilhelm II., dem Oberhaupt des Deutschen Reiches.
Tillmann Bendikowski wählt dabei einen chronologischen Zugang, indem er Monat für Monat, von Juni bis Oktober 1914, in einzelnen Unterkapiteln jeweils die Erlebnisse und Haltungen der fünf erwähnten Personen betrachtet. Nicht zufällig beginnt jeder Monat zunächst mit Wilhelm II., der als Kaiser die offizielle Haltung des Deutschen Reiches verkörpert und damit den politischen Rahmen des Geschehens absteckt. Sodann folgt in Person von Alexander Cartellieri ein 47-jähriger, international anerkannter Professor, der als ausgewiesener Kenner der französischen Geschichte galt. Mit dem 17-jährigen Wilhelm Eildermann, einem Volontär bei dem SPD-Parteiblatt "Bremer Bürger-Zeitung", rückt anschließend die Haltung der deutschen Sozialdemokratie in den Mittelpunkt. Gefolgt von der 27-jährigen Gertrud Schädla, die als ledige Lehrerin die weibliche Sichtweise innerhalb des Bandes verkörpert. Den Abschluss bildet letztlich der Expressionist Ernst Stadler. Als eingezogener Reserveoffizier dient seine Sichtweise nicht nur dazu, die Stimmung im deutschen Militär darzulegen, sondern insbesondere auch die dunkle Seite des Krieges zu vergegenwärtigen. Denn Ernst Stadler starb am 30. Oktober 1914 im Alter von 31 Jahren an der Westfront im belgischen Ort Zandvoorde.
Abgerundet wird das Buch schlussendlich durch ein Literaturverzeichnis und ein ausführliches Personen- beziehungsweise Sach- und Ortsregister.
Mit Tillmann Bendikowskis Band rücken endlich auch einmal die Menschen in den Mittelpunkt der zahlreichen Publikationen, welche bereits zum Kriegsbeginn 1914 erschienen sind. Denn allzu häufig legen die Publikationen zu diesem Thema lediglich die politischen, diplomatischen oder militärischen Umstände dieser ereignisreichen Monate dar.
Im Gegensatz dazu entwickelt Bendikowski anhand von fünf exemplarischen Biographien die ganze Bandbreite persönlicher Umstände und Empfindungen zum Kriegsbeginn, welche von Begeisterung bis Angst reichen. Immer wieder vermischt er dabei geschickt private Sorgen und Ängste mit allgemeinen politischen und gesellschaftlichen Beobachtungen. Im Stile eines Adam Hochschilds (zuletzt
"Der Große Krieg", Klett-Cotta) reiht er sich damit in die Ägide der an den persönlichen Schicksalen interessierten Geschichtsschreibern ein, wenngleich seine Darlegungen weitaus nüchterner und weniger emphatisch sind als jene Adam Hochschilds. Gerade im Hinblick auf Wissenschaftlichkeit des Bandes ist er jedoch gut beraten gewesen, diesen Weg eingeschlagen zu haben. Zudem tut dies der hervorragenden Lesbarkeit keinen Abbruch.
FAZIT: ein überzeugend andersartiger Blick auf die Geschehnisse des Sommers 1914.
Weitere Informationen zum Buch sowie eine Leseprobe finden sich auf der Webseite des Verlags