Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Mit seinem Buch "Der Brand" über den alliierten Bombenkrieg gegen Deutschland im Zweiten Weltkrieg wurde Jörg Friedrich bekannt und stieg spätestens seitdem in die Riege der wichtigsten deutschsprachigen Publizisten auf. Im Zuge der allgemeinen Veröffentlichungswelle zum Ersten Weltkrieg legt er nun auch eine umfassende Darstellung zu diesem Schlüsselereignis des 20. Jahrhunderts vor.
Wie so viele aktuelle Überblickswerke zum Ersten Weltkrieg beginnt auch Jörg Friedrich mit dem Attentat auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajevo, um dann die losgetretenen Entwicklungen bis zum deutschen Angriff auf Belgien nachzuzeichnen. In den beiden folgenden Großkapiteln widmet er sich dann zum einen den Geschehnissen an der Ostfront (Serbien, Ostpreußen, Galizien, Polen, Kosovo polje, Rumänien, Saloniki, Griechenland) sowie zum anderen den Schauplätzen und Besonderheiten an der Westfront (Tod, Belgien, Greuel, Die Marne, Deadlock, Das Geschoss, Flandern, Wunden, Das Blutjahr, Die Meuterei, Schlamm), welche sich in einem zermürbenden Stellungskrieg festfuhr. Lange währte jedoch nicht nur dieser Kampf, sondern auch das Ringen um einen Frieden. Nicht umsonst stehen die Friedensbemühungen bei Friedrich anschließend auf gut 200 Seiten im Mittelpunkt, wobei er hier zunächst paradoxerweise die Themen Annexionen, Geld, Seekrieg und Sabotage einflicht. Allesamt Aspekte, die mit den USA den entscheidenden Mitspieler hervorbrachte. Schließlich mündet Friedrichs umfangreiches Werk im "Fall" des Deutschen Reiches, der letztlich vom "Triumvirat von Versailles" besiegelt wird. Ein Literaturverzeichnis und Personenregister runden das Werk ab.
Jörg Friedrichs Buch muss sich nicht nur mit seinem großen Bestsellerwerk "Der Brand" messen lassen, sondern auch mit den zahlreichen aktuellen Überblicksdarstellungen zum Ersten Weltkrieg. Leider enttäuscht der Autor hierbei weitgehend, da dieser sich zu sehr in militärstrategischen Erwägungen verstrickt. Gewiss: Diese Schwerpunktsetzung kann an sich noch nicht als Manko angesehen werden, schließlich haben derartige Darstellungen durchaus ihre Berechtigung. Was vielmehr ins Gewicht fällt, ist Friedrichs Form der Darlegung, welche es kaum schafft, die Dinge auf den Punkt zu bringen.
Stattdessen zieht er zur Erklärung immer wieder zeitgenössische Sichtweisen, oft in Form von indirekten Zitaten heran, die dann aber teilweise unkommentiert beziehungsweise ohne weitere inhaltliche Einbettung eingeflochten werden. Der Leser trifft somit immer wieder auf den zeitgenössischen Politik- und Militärjargon, der zwar authentisch sein mag, insgesamt aber wenig dazu beiträgt, das große Ganze zu überblicken. Wer zumindest auf ein einordnendes Vorwort oder eine Einleitung hofft, wird ebenfalls enttäuscht, weil beides schlicht und ergreifend fehlt. Erschwerend kommt hinzu, dass die beiden Karten zu Beginn und am Ende des Buches nur einen sehr groben Überblick vermitteln, welche keinesfalls den Nachvollzug der kleinschrittig geschilderten Militäroperationen ermöglichen. Auch die vier ergänzenden Karten im Anhang sind hier nur wenig geeignet. Ganz abgesehen von der antiquierten Gestaltung.
Als schwierig erweist sich auch Friedrichs Sprache, da dieser immer wieder mit Anspielungen, sprachlichen Finten, kryptischen Verklausulierungen und hochkomplexen Sprachgebilden arbeitet, wodurch der Text auf Dauer recht zähflüssig zu lesen ist.
Der Kriegseintritt Englands und Frankreichs, der durch nichts geboten als durch das Ansinnen, Deutschland in die Schranken zu verweisen, ein von den Linien nicht gestützter Versuch, dieser von keiner Selbstverteidigung erzwungene freie Entschluß war neben dem totalen Negativresultat belastet mit einer Totenzahl, die Ende 1915 die Einwohnerzahl Elsaß-Lothringens erreichte. Wir entsinnen uns des heftigen Ringens in beiden Nationen um den Sinn des Losmarschierens, wie es, nebenbei, in Deutschland nirgends auftrat. Auch diese Nation stand ja keineswegs unter Verteidigungszwang. Doch so wie die Würfel gefallen waren, ließ das Ergebnis sich nach innen darstellen.
Stärken zeigt der Autor vor allem, wenn er versucht, die Szenerie atmosphärisch zu schildern. Auch das kurze Kapitel "Das Geschoss" ist in dieser Form einzigartig. Denn losgelöst von militärischen Operationen und Ereignissen entfaltet hier Friedrichs bildhafte Sprache voller Schnörkel und Assoziationen eine ganz eigene Wirkung.
Der Durchschuß, eigentlich eine Verlängerung des Stichs mit der blanken Waffe, wechselt in einen industriellen Trennprozess. Der Eintritt in den versiegelten Raum trennt den Leib automatisch vom Leben. Die Herstellung geschlossener Todesräume möchte man die innere Tendenz des industrialisierten Krieges nennen, wenn er nicht gleichzeitig Sorge trüge, die Räume in irgendwelchen Schutzkapseln passierbar zu machen, denn jede Kriegspartei ist Angreifer und Verteidiger in einem. Als Angreifer macht sie die Waffenwirkung total, als Verteidiger relativ.
Trotzdem reicht dies alles nicht aus, um wirklich zu überzeugen. Denn "14/18 - Der Weg nach Versailles" liefert insgesamt zu wenig Erklärungen und leistet damit kaum einen Beitrag den Ersten Weltkrieges besser zu verstehen. Oder anders gesagt: Für den Leser ist der Weg nach Versailles bei diesem Buch beschwerlich und zäh.
Weitere Informationen zum Buch, einen Blick ins Inhaltsverzeichnis sowie eine Leseprobe finden sich auf der Webseite des Verlags.