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Erlendur Sveinsson hat noch nicht lange seinen Dienst als Streifenpolizist in Reykjavík angetreten, als er mit zwei Schicksalen konfrontiert wird, die praktisch zeitgleich die Kripo beschäftigen: zum einen der Tod eines Obdachlosen in einem Tümpel am Stadtrand und zum anderen das spurlose Verschwinden einer jungen Frau.
Keiner der beiden Fälle ist ein Jahr später gelöst. Erlendur, der den Obdachlosen Hannibal von einigen Nachtdiensten auf Streife kannte, beginnt in seiner Freizeit mit Nachforschungen und taucht tief ein in die triste Parallelwelt jener, die aus der Gesellschaft herausgefallen sind. Nicht nur erkennt er, dass Hannibal keineswegs "im Suff" ertrunken ist, wie generell angenommen wird, sondern es kristallisiert sich heraus, dass dessen Tod mit der vermissten Frau beziehungsweise ihrem Verschwinden im Zusammenhang steht – obwohl sie aus gut situierten Verhältnissen kam und zunächst keinerlei Schnittmenge zwischen ihr und dem Obdachlosen denkbar erscheint.
Nach elf Bänden um seinen Ermittler Erlendur Sveinsson hat der Autor Arnaldur Indridason begonnen, ein mehrbändiges Prequel zu verfassen: Episoden aus den 70er-/ 80er-Jahren mit dem kaum über zwanzigjährigen Erlendur als Protagonist. Der Kreis beginnt sich zu schließen, als am Ende von "Nacht über Reykjavík" Erlendurs künftiger Vorgesetzter diesen für sein unkonventionelles Vorgehen lobt und ihm eine Stelle anbietet.
Versuche, einen Ermittler über ein Prequel weiter auszubauen, können gewaltig schiefgehen; im Fall Erlendur Sveinsson hat es gut funktioniert. Der Stil wirkt ein bisschen spritziger, "jugendlicher" als in den anderen Bänden, ohne dass Indridason übertreiben würde. Behutsam liefert der Autor all jene Mosaiksteinchen, die zum Aufbau der Erlendur-Figur noch fehlten, ohne zu überzeichnen. Nächtlichen Streifentouren mit Einbrüchen und anderen üblichen Delikten steht Erlendurs private Recherche gegenüber. Es liegt dem Autor am Herzen, die Empathie der noch sehr jungen Hauptfigur herauszuarbeiten, und das gelingt ihm bestens. Erlendur steht für den Typ Streifenpolizist, der helfen möchte und nicht in Sheriffmanier für Recht und Ordnung sorgt, auch wenn er durchaus hart durchgreifen kann.
Von einer fulminanten Handlung und durchgehender Hochspannung kann nicht die Rede sein, doch stimmen die Spannungsbögen. Es gibt einige unerwartete Wendungen, und vor allem Fans der Serie möchten die oft atmosphärisch dichten Schilderungen und Stimmungsbilder, die zu diesem Fall gehören, nicht missen. Der Autor verliert sich nicht in Sozialkritik zuungunsten der Spannung und Plausibilität, doch natürlich ist diese unter der Oberfläche immer zu spüren.
Walter Kreye liest packend und nimmt den Leser mit in die nächtlichen Straßen von Reykjavík, zu den Geächteten und den Reichen, zu kleinen Einbrechern und großen Hehlern und zu Erlendurs ganz persönlicher Geschichte.
Eine
Hörprobe wird auf der Verlagsseite zum Hörbuch angeboten.
Geliefert wird das Hörbuch als ansprechend aufgemachtes Karton-"Leporello" mit Steckfächern für die vier CDs.