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Als Napoleon geschlagen war, lag das alte Europa in Trümmern - im Wort- und im übertragenen Sinn. Eine Neuordnung erwies sich als unumgänglich, und diese erfolgte in Wien. Der Wiener Kongress dürfte jedermann ein Begriff sein, und dass er sich zum 200. Mal jährt, ist Anlass einer Ausstellung in der Orangerie und im Unteren Belvedere Wiens, die noch bis zum 21. Juni 2015 läuft.
Schon beim flüchtigen Durchblättern des hier besprochenen Katalogs zur Ausstellung zeigt sich, wie viele Facetten das Thema aufweisen kann, wenn man es genauer beleuchtet. So geht es im ersten Teil um das durch den Wiener Kongress eingeläutete "Neue Europa" einschließlich eines Rückblicks auf die Napoleonischen Kriege und die Sieger und Verlierer des Kongresses. Der zweite Teil befasst sich mit der Kunst in Europa um 1800 einschließlich vieler Einflüsse nach allen Seiten, wobei häufig Bezug auf den Kongress genommen wird, dessen Teilnehmer natürlich willkommene Modelle darstellten. Im dritten Teil werden die Auswirkungen des Kongresses auf die Stadt Wien beleuchtet: Infrastruktur, Kultur, Festivitäten und vieles mehr.
An den Epilog schließt sich ein umfangreicher Anhang an, einschließlich eines Werksverzeichnisses mit allen erforderlichen Angaben zu den Exponaten.
Im Geschichtsunterricht erscheint der Wiener Kongress häufig als eine vertane Chance zu einer umfassenden Modernisierung der politischen und sozialen Ordnung, denn letztlich kehrte Europa in vielerlei Hinsicht zurück zu eigentlich überkommenen Strukturen des 17. Jahrhunderts. Buch und Ausstellung zeichnen ein differenzierteres Bild, ohne die verpassten Gelegenheiten zu leugnen.
Der erste Teil mit dem Rückblick auf den Kongress einschließlich seiner Vorgeschichte, sprich: die Napoleonischen Kriege, führt den Leser in die damalige Welt ein. Zahlreiche Porträts der Akteure, Bilder von Kriegsszenen und vom Kongress selbst veranschaulichen die gehaltvollen und gut verständlich verfassten Texte.
So ist es natürlich auch interessant, vor diesem Hintergrund die Künstlerpersönlichkeiten, Stile und Einflüsse kennen zu lernen, die um 1800 in Wien und den anderen europäischen Machtzentren "en vogue" waren - Möbel, Kleidung, Geschirr und andere Gegenstände des Alltags eingeschlossen. Den Schwerpunkt des zweiten Teils bilden, wenig erstaunlich, die Porträtmaler. Ihr Schaffen, ihre Kunden und ihre Beziehungen untereinander werden intensiv beleuchtet.
Wie sich Wien der gewaltigen Anzahl der Gäste in den Monaten des Kongresses stellte, was natürlich eine Erweiterung und Modernisierung der Infrastruktur erforderte, wie die Zeitungen trotz Zensur liberaler wurden, welche Zerstreuungen den Gästen zugutekamen und viele andere Themen beherrschen den dritten Teil, in dem unter anderem Beethoven zu den zentralen Persönlichkeiten gehört.
Auch unabhängig von einem Ausstellungsbesuch hat dieser Katalog somit sehr viel zu bieten. Der enorme Themenbogen erinnert regelrecht an eine Enzyklopädie, zumal die einzelnen Kapitel sorgfältig und umfassend ausgearbeitet wurden und eine Fülle an Informationen liefern. Gerade jedoch die Verflechtungen von Politik, Kunst und Kultur allgemein findet man in anderen Werken selten.
Layout und Druckqualität überzeugen, wie man es vom Verlag gewohnt ist. Das großzügige Format ermöglicht eine Abbildungsgröße, die den Exponaten gerecht wird. Somit handelt es sich in jeder Hinsicht um ein ausgesprochen empfehlenswertes Werk mit einem durchaus erfreulichen Preis-Leistungs-Verhältnis.
Ein
Blick ins Buch ist auf der Verlagsseite möglich.