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Ein Dienstmädchen ist verschwunden. Vor der Tür finden sich nur ein paar Haare und etwas Blut. Das an sich ist rätselhaft, aber kaum ein Fall für den Staatsschutz. Da der Besitzer des Hauses, Mr. Kynaston, jedoch für das Verteidigungsministerium arbeitet, wird Thomas Pitt beauftragt, die junge Kitty zu finden. Das gestaltet sich schwierig und es wird nicht einfacher für Pitt, als kurz darauf eine Leiche gefunden wird.
Hatte Kitty einen eifersüchtigen Liebhaber? Soll Kynaston unter Druck gesetzt werden? Und warum nur hat Pitt das Gefühl, das sein Vorgesetzter ihn gerne scheitern sehen würde? Schnell wird dem Ermittler klar, dass dieser Fall nicht nur unangenehm werden kann, sondern sogar höchst gefährlich.
Es menschelt bei Anne Perry. Seit die britische Autorin ihren Inspektor Thomas Pitt und seine Frau Charlotte 1979 zum Leben erweckte, legte sie immer ihr Augenmerk auf die zwischenmenschlichen Beziehungen, die zu Tragödien führen. Das ist auch in Pitts neuestem Fall nicht anders.
In all den Jahren stieg Pitt die Karriereleiter immer weiter hinauf, erst in den Polizeirängen, dann im Staatsschutz. Bezeichnend dabei ist, dass er nicht etwa von brennendem Ehrgeiz erfüllt war, sondern von einem ausgeprägtem Gerechtigkeitsgefühl, das ihn oft dazu brachte, auch die unangenehmen Fragen zu stellen und nicht etwa vor den Folgen seiner Handlungen zurückzuschrecken. Seine Frau Charlotte stand ihm dabei zur Seite wie ein Fels, nicht selten unterstütze sie seine Ermittlungen auf eigene Faust und konnte dabei auf die Hilfe ihrer Familie zählen.
Das ist nun nicht mehr so sehr der Fall, denn in seiner neuen Position kann Thomas ihr nicht mehr so freigiebig von seinen Ermittlungen erzählen. So schade das ist, die Leser müssen nicht auf Charlotte und ihre Familie verzichten. Da gibt es immer noch ihre Schwester, die in zweiter Ehe mit einem ehemaligen Schauspieler verheiratet ist, der nun ins Unterhaus berufen wurde. Natürlich hat auch er ein Interesse daran, dass sowohl die Regierung als auch Pitts Ruf nicht zu schaden kommt, da es ja auch auf ihn zurückfallen könnte. Immerhin ermöglichen es die familiären Verhältnisse, über einflussreiche Freunde zu verfügen, denn Charlottes Tante Vespasia, eine berühmte Schönheit zu ihrer Zeit, verkehrt immer noch in den höchsten Kreisen.
Wer Anne Perry Romane kennt, weiß, dass es in ihren Romanen keine Explosionen, keine atemlosen Verfolgungsjagden gibt. Vielmehr gilt es, auf die kleinen Dinge zu achten, die in einer Gesellschaft große Bedeutung haben können. In ihren Büchern ist manchmal ein einzelner Blick, ein verhaspelter Satz für die Suche nach dem Täter ausschlaggebend. Ein Geschenk, eine Erinnerung kann der entscheidende Hinweis sein. Damit sind ihre Romane leiser, zurückhaltender als heute so oft üblich, aber sie sind von einer liebevollen Sorgfalt geprägt, die aus jeder Zeile spricht.
Anne Perry kennt sich aus in der Zeit um die Jahrhundertwende. Sie findet genau den passenden Ton für den Umbruch in der Gesellschaft, die so fasziniert von technischen Möglichkeiten und doch so starr in ihren Regeln war. Dazu kommen Alltagsprobleme, welche den von ihr geschaffenen Figuren glaubhaft zu schaffen machen. So hadert Charlottes Schwester mit dem Alter, sie selber vermisst die vertraute Nähe zu ihrem Mann, der nun berufsbedingt immer weniger zuhause sein kann. Das sind Dinge, die auch heute noch so passieren können und sie sorgen dafür, dass die Leser mit den Protagonisten mitfühlen und bangen können.
So sind die Figuren die eigentliche Stärke dieses Romans. Der Kriminalfall tritt dadurch manches Mal etwas hinter den Beziehungen und Gefühlen der einzelnen Personen zurück. Dass dies dem Lesevergnügen keinen Abbruch tut, ist ein großer Verdienst der Autorin, deren Buch daher einem breiten Publikum empfohlen werden kann.
Eine Leseprobe findet sich
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