Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Bildqualität | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Für viele gab es keinen anderen Ausweg mehr: Ihnen blieb nur die Flucht und die führte früher oder später übers Meer. Denn auf dem europäischen Festland waren diejenigen, welche vor dem Regime der Nationalsozialisten flüchten mussten, nicht mehr sicher. Ob Politiker, Schriftsteller oder Intellektuelle - sie alle traten den Weg in eine ungewisse Zukunft an und stehen im Mittelpunkt der vorliegenden Ausgabe von "mare", der Zeitschrift der Meere.
"Where I am, there is Germany."
(Der Historiker Golo Mann, Sohn von Thomas Mann nach seiner Ankunft in New York, 1938)
In 16 puristischen Porträts stellt die 109. Ausgabe von "mare" exemplarisch 16 Emigranten vor, deren Leben zwar eine Gemeinsamkeit aufwies und dennoch ganz unterschiedlich verlief. Doch was heißt hier Porträts, letztlich sind es keine Porträts im eigentlichen Sinne, sondern kurze Skizzen, welche die ganze Tragweite der Emigration verdeutlichen und kurze Schlaglichter auf ihr Leben werfen. Neben der Titelstory enthält die Ausgabe zudem noch weitere historische Themen. So beleuchtet Tim Schröder mit seinem Artikel über die portugiesischen Kabeljaufischer ein vergessenes Kapitel des Zweiten Weltkrieges, während Dieter Strauss die Informanten von Goethes Vorliebe für exotische Küsten und fremde Gewässer in den Blick nimmt.
Doch die Ausgabe hat noch mehr zu bieten. Denn die weitere Themenauswahl zeigt, dass "mare" stets einen Blick für das Besondere hat. So reisten Martina Wimmer und Robert Voit beispielsweise nach Nantes, um dort das bezaubernde und zugleich ein wenig mystisch anmutende "Caroussel des mondes marins" zu besuchen. Voller Ehrfurcht stellt Martina Wimmer diese eigenartige Attraktion auf dem ehemaligen Werftgelände Nantes vor, begleitet von den ästhetischen Bildern Robert Voits, der die ganze Aura dieser künstlichen Meeresungetüme einfängt. Ähnlich mystisch präsentiert sich auch das Strandhotel "Bray Head", welches einst zu den glamourösesten Adressen Irlands gehörte. Auch, wenn sich der einstige Glanz nur mehr erahnen lässt, so ist dieser Ort nicht nur wegen der etwas eigenwilligen Gäste ein besonderer Ort, den Zora del Buono in Kombination mit den Fotografien Mirjam Seiferts in einer atmosphärisch dichten Reportage beschreibt.
Ungewöhnlich ist auch der Job von Jan Kruijsse, der als einziger Meeresalgenschneider der Niederlande zahlreiche Spitzenköche mit seiner angesagten Ernte beliefert. Wem das nicht bereits skurril genug ist, den wird sicherlich der Facekini, eine Art Gesichtsmaske, mit denen in China Frauen an den Strand gehen, zufriedenstellen. Den Schattenseiten der indonesischen Fischerei widmet sich dagegen Milda Drüke, die sich vor Ort ein Bild von den fragwürdigen Methoden gemacht hat, mit denen Juwelen-Zackenbarsche in den Aquarien Hongkonger Nobelrestaurants landen.
Sämtliche Artikel des Heftes werden von künstlerisch wertvollen Fotografien illustriert und laden nicht minder dazu ein, in die Welt der Meere und Meeresküstenbewohner einzutauchen. Die Texte zeichnen sich zudem an vielen Stellen durch ihre ausdrucksstarke Sprache aus, mit der die Leser geradezu in die maritime Lebenswelt eintauchen können.
"Der Fischer paddelte mit kraftvoller Langsamkeit vom Riff hinaus auf die leere See, bis dorthin, wo das Wasser tiefblau war."
(aus dem Artikel "Die letzte Reise" von Milda Drüke)
FAZIT: eine gelungene Ausgabe von "mare", welche nicht nur mit der puristisch angelegten Titelstory überzeugt, sondern auch zahlreiche ungewöhnliche Kapitel der maritimen Lebenswelt aufschlägt.
Weitere Informationen sowie ein Blick ins Heft finden sich auf der Webseite des Verlags.