Familie Waldemar betreibt eine kleine Ferienpension auf der Insel Aland. Das heißt: Eigentlich betreiben nur noch Mutter Anna-Lisa und ihr jüngster Sohn Oskar mit dessen Frau und Tochter das Hotel. Der Vater ist seit Jahren spurlos verschwunden. Sohn Lasse ist Restaurantbesitzer in Stockholm, Tochter Jonna ist Schauspielerin am Theater. Doch zur Saisoneröffnung bittet die Mutter alle ihre Kinder auf die Insel. Das Wiedersehen scheint jedoch weniger ein erfreuliches Ereignis denn ein brodelnder Vulkan. Zu allem Überfluss verlangt Anna-Lisa, mit ihren Kindern jeweils ein Einzelgespräch zu führen. Wie ihre Tochter Jonna heute, war sie einst Schauspielerin und mit ihrem verbliebenen Hang zur Dramatik teilt Anna-Lisa jedem ihrer Kinder einen einzigen Satz mit, der wie ein Vermächtnis im Raum steht. Als sie kurz darauf verschwindet, beginnt für die Geschwister und ihre Angehörigen eine Zeit der Wahrheits- und Selbstfindung, die erst noch beweisen muss, was die Mutter sich erhoffte: dass Blut tatsächlich dicker ist als Wasser. Doch zu viele Fragen stehen offen im Raum: Ist der lange vermisste Vater vielleicht sogar noch am Leben? Und was hatte er eigentlich mit dem Verschwinden seines Nachbarn zu tun? Weiß Jonna mehr, als sie zugibt? Und warum reagiert Oscar so aggressiv auf den Vorschlag den alten Pool zu reparieren?
Die schwedische Serie "Blutsbande" verstrickt auf gekonnte Art Familiendrama und Krimi. Die kalte, klare Stimmung der Bilder spiegelt perfekt das unterkühlte Verhältnis der Geschwister zueinander. Das alte Hotel steht sinnbildlich für die zerrüttete Familie: Der Lack bei den Waldemars ist ab. Ruhig erzählt und trotzdem ohne Längen durchweg spannend, deckt sich nach und nach die Vergangenheit auf. Geschickt gewählte Rückblenden geben dem Zuschauer einen Einblick, doch zeigen nie zu viel. Dabei sind verschieden Handlungsstränge miteinander verwoben. Die unzähligen Geheimnisse, die jede der Figuren mit sich trägt, könnten eine Geschichte leicht überfrachten, doch greifen sie hier so gut verknüpft ineinander, dass sich daraus ein einziges logisches Gesamtbild ergibt - das Porträt einer Familie, die schwer unter ihrem Oberhaupt gelitten hat. Und auch lange nach dem Verschwinden des Vaters sind seine Spuren noch deutlich zu spüren. Besonders gelungen sind dem Schöpfer Henrik Jansson-Schweizer, zuletzt in den Medien für seine Verfilmung des Romans "Der Hundertjährige der aus dem Fenster stieg und verschwand" (2013), die Charaktere der Serie: jeder einzelne nachvollziehbar und trotzdem befremdend. Interessante Figuren, die der Zuschauer tiefer ergründen möchte, die ihn mitreißen und berühren, mit denen er sich aber letztlich nur schwer identifizieren kann. Das Wechselverhältnis von Nähe und Ferne, das der Zuschauer so entwickelt, birgt neben der Handlung nochmal eine eigene Spannung, die über alle zehn Folgen der ersten Staffel trägt. Nicht zuletzt ist dies natürlich der gelungenen Darstellung durch Aliette Opheim (Jonna), Björn Bengtsson (Lasse)und Joel Spira (Oskar) geschuldet. Gesondert zu erwähnen ist der brillante Vorspann, der nicht nur durch eine tolle Titelmusik begeistert, sondern mit seiner Bildsprache die Stimmung der Serie perfekt einfängt. Ein Tropfen Blut in den eigentlich harmlosen Bildern, ein Schatten der Vergangenheit, der sich wie ein Schleier über die Gegenwart legt. Der Streaming-Sender Netflix wurde zuletzt hoch gelobt für seine Serie "Bloodline", die viele Parallelen zur schwedischen Serie aufweist. Der Verdacht liegt nahe, dass die amerikanischen Autoren die Produktion des schwedischen Senders SVT zuvor gesehen haben. Bei vergleichender Betrachtung fällt "Bloodline" jedoch sowohl in Bezug auf die Spannung als auch die Intensität der Figuren gegen die schwedische Vorlage deutlich ab. Einmal mehr beweisen skandinavische Film- und Fernsehproduzenten, dass sie die Meister der Spannung sind.
"Blutsbande" ist eine mehr als zu empfehlende Serie: spannend erzählt, gut gespielt, hervorragend gefilmt. Die erste Staffel ist zwar in gewisser Hinsicht in sich abgeschlossen, enthält aber zum Glück Anknüpfungspunkte für eine weitere, denn davon will man mehr sehen.