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Estelles großer Tag steht bevor. Sie und Simon werden heiraten. Heiraten bevor ihr gemeinsames Kind auf die Welt kommen wird. Es soll der mit Abstand schönste Tag in ihrem Leben werden.
Simon ist mal wieder etwas spät dran, auf dem Weg zur Kirche sammelt er noch seine Cousine und deren Kinder ein. Er ist entspannt, freut sich auf den Tag. Freut sich auf seine Estelle. Noch einen Schluck Champagner, bevor er sich in den neuen Lebensabschnitt stürzt und für immer bindet.
Helena genießt den Tag an der Flusspromenade und schiebt ihren Sohn Eddie im Kinderwagen durch die Sonne. Ihr Blick fällt auf eine kleine Hochzeitsgesellschaft. Ihre Ehe zerbricht gerade.
Als Simon seiner zukünftigen Ehefrau Estelle in die Kirche folgen will, fällt sein Blick auf die junge Frau, die mit ihrem Kinderwagen die Promenade gegenüber entlangschlendert. Er glaubt seinen Augen kaum. Ist dies nicht Helena? Die Frau, für die er schwärmt, seit er zehn Jahre alt ist? Helena, die ihn sein Leben lang ignoriert hat und die er doch nie aus dem Kopf bekommen hat? Er will nur kurz mit ihr sprechen – schauen, ob sie es wirklich ist ...
Die Folgen dieses Gesprächs sind dramatisch. Simons Vergangenheit holt ihn ein; spontan sagt er die Hochzeit ab - lässt Estelle an dem Tag allein zurück, der der schönste ihres Lebens werden sollte.
Als Simon zwei Wochen später seinen Vater an den Krebs verliert und von ihm ein luxuriöses Appartment an der Promenade des Anglais und eine große Summe Geld erbt, ändert sich nochmals vieles für ihn. Hinzu kommt, dass er kurz darauf Helena wieder trifft. Sie arbeitet in einem Supermarkt und Simon erlebt mit, wie schlecht sie dort von ihrem Chef behandelt wird. Nicht uneigennützig bietet er ihr an, sie monatlich mit 1000 Euro zu unterstützen, wenn sie ab sofort die Donnerstagnachmittage mit ihm verbringt. Sie willigt ein. Und sie hält sich an die abgemachte Drei-Stunden-Begrenzung. Minutengenau. Zwar verstehen die beiden sich Woche für Woche besser, haben Spaß miteinander, jedoch geht Helena immer pünktlich. Bis sich dies dann ändert. An einem Donnerstag, der ganz anders endet als die vorangegangenen ...
Jim (Téhy) widmet sich in "Helena" seinen Paradethemen: der Liebe, Beziehungen und dem Leben. Auch in diesem Zweiteiler, dessen erstes Buch in diesem großformatigen Hardcover vorliegt, beweist er sein Gespür, sein Fingerspitzengefühl für die Variationen und Wege, die das Leben nehmen kann. Er besinnt sich dabei auf das Wesentliche, präsentiert die im Alltag eher unsichtbare Gefühlsebene im Vordergrund und bleibt dabei stets leise und sensibel. Seine Plots setzen nicht auf Action, Geheimnisse und kriminalistische Spannung, sondern auf grundlegende, den Menschen bewegende Themen, wie Liebe, Zweifel, Vertrauen, Lust, Verlangen und Sehnsucht.
Simon scheint auf den ersten Blick im Vordergrund zu stehen, schließlich ist er der Protagonist, dem die Geschichte folgt. Er hat Selbstzweifel, ist verrückt nach seiner Jugendliebe Helena und hat seine eigene Beziehung vor dem Altar mit Füßen getreten. Das viele Geld und die wöchentlichen Treffen mit Helena können ihm nicht darüber hinweghelfen. Er ist einsam. Allein. Auch dann, wenn er mit Helena zusammen ist. Er richtet sein ganzes Leben nach ihr aus. Doch zurück erhält er fast nichts. Er selbst verschwindet dabei immer mehr, er ist nicht mehr wichtig, sein Leben dreht sich nur noch um die Frau seiner Träume. Helena. So ist sie es auch, die in dieser Story die Hauptrolle spielt.
Jims Szenario ist in seiner Gesamtheit so eindringlich, dass die Seiten nur so dahinfliegen. Zwar hat er dieses Mal Lounis Chabane das Illustrieren überlassen, jedoch ähnelt dessen Stil seinem sehr. Und auf diese Weise fühlt der Leser sich bei der Lektüre von Helena gleich an Jims andere große Beziehungsstudien, wie beispielsweise
"Eine Nacht in Rom" erinnert. Die dezente, pastellige Farbgebung und die klaren, mit sehr feinem Strich ausgeführten Zeichnungen Chabanes ergeben zusammen mit Jims Text die perfekte Kombination in diesem auf seine ruhige und unaufdringliche Art nahezu atemberaubenden Comics.
Vergleichbar ist dieser Band mit einem Seiltanz. Ein solcher wirkt auf seine Weise zart, fast simpel und jede Bewegung, die von den zierlichen Seiltänzern durchgeführt wird, macht den Eindruck voller Leichtigkeit zu sein. Genau hingeschaut, wird deutlich, welch große Disziplin, Kraft und Arbeit darin steckt, den Tanz so federleicht aussehen zu lassen. Und so ist es auch mit "Helena". Die Zeichnungen, ruhigen Dialoge und Schauplätze wirken so leicht und "einfach". Genauer hingeschaut, wird ihre Kraft und ihr starker Ausdruck deutlich. Jim und Lounis Chabane sind hier eine perfekte Symbiose eingegangen. Dabei herausgekommen ist eine herausragende Geschichte, geschaffen von zwei großen Künstlern.
Ein achtseitiges Skizzenbuch schließt den ersten Band dieses Zweiteilers ab. Auf zwei Seiten dürfen die Leser außerdem bereits einen kleinen Blick auf einige Panels der Fortsetzung werfen.
Auf der Webseite des Splitter Verlags steht eine Leseprobe zur Verfügung: hier reinlesen.