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Willkommen im Müll. Deponia, auch der Schrottplanet genannt, ist eine Welt, unserer Erde nicht unähnlich, die jedoch jede denkbare und undenkbare Naturkatastrophe hinter sich gebracht hat. Die menschliche Zivilisation ist zusammengebrochen, und nun ist der Planet nichts weiter, als eine riesige Müllhalde. In längst vergessener Zeit war Deponia jedoch einmal eine Welt voller grüner Wiesen und sauberem Wasser, doch führte das, was als Wegwerfgesellschaft bezeichnet wird, langsam aber sicher dazu, dass der Planet unbewohnbar wurde. Und da kein Ausweg in Sicht war, verfiel die Regierung schlicht in blinden Aktionismus und machte durch ihre Maßnahmen letztlich alles nur noch schlimmer. Die endgültige Lösung hieß schließlich Evakuierung, doch war auf dem neu geschaffenen Planeten Elysium, der durch Aufzüge mit Deponia verbunden ist, bei weitem nicht genug Platz für alle Deponianer. So mussten die Armen zurückbleiben, während die Reichen aufbrachen in ein neues Paradies. Und in diesem Dreck versuchen die Zurückgelassenen, nun zu überleben. Zwischen Brackwasser, merkwürdigen Kaktuspflanzen, Zombies, Mutanten, Rattenmenschen und jeder Menge Schnabeltiere haben die Menschen sich in verschiedenen Gemeinschaften organisiert und trotzen dem Müll alles ab, was irgendwie noch einen Nutzen haben könnte. Doch der Unmut der Bewohner wird größer. Die Macht des Organon, einer militärischen Organisation, die die Fahrstühle nach Elysium kontrolliert, gerät ins Schwanken, als das Zeitalter neuer Helden anbricht.
Vom Computer an den Spieltisch2012 veröffentlichte die Hamburger Spieleschmiede Daedalic Entertainment das Point-and-Click-Adventure
Deponia und startete damit eine Erfolgsgeschichte. Unzählige Fans rätselten sich als der selbstverliebte und chaotische Bastler Rufus durch insgesamt drei Teile. Es regnete gute Kritiken und
Preise. Der Schöpfer des Werkes, Poki, hatte aber noch weit mehr über den skurrilen Schrottplaneten Deponia auf Lager, als im Computerspiel abgebildet wurde. So begann die Zusammenarbeit mit den szenebekannten Machern des Orkenspalter-TVs an "Deponia - das Rollenspiel".
Im September letzten Jahres erschien das insgesamt 240-Seiten dicke Werk im
Uhrwerk Verlag und ist nicht nur als Rollenspielband zu verstehen, sondern auch ein Supplement für alle Fans der Computerspiel-Reihe. So ist der gesamte erste Teil des Buches als Reiseführer durch Deponia konzipiert. Er stellt die verschiedenen Abschnitte der schrägen Schrottwelt nacheinander vor, wobei weit mehr beleuchtet wird, als nur die Gegend, in der sich Rufus im Computerspiel bewegte. Denn in der Tat ist das Three Quarters genannte Gebiet, zu Deutsch Dreiviertelland, nur ein recht kleiner Teil von Deponia. Umgeben ist es von so wohlklingenden Ländern wie Drecksicko oder der Schrapnell-Küste, und neben Aporimata, dem Kontinent auf dem das Dreiviertelland liegt, gibt es noch viele weitere Kontinente, etwa Rostralien, Haldika oder Tsunamien. In jedem Abschnitt gibt es zunächst eine kleine Einführung in die Region, dann werden die wichtigsten Städte vorgestellt und bekannte Personen porträtiert. Für den Spieleiter gibt es immer wieder Textkästen mit zusätzlichen Informationen und nützliche Schnell-Generierungs-Tabellen, über welche etwa Shops oder Hotels in kürzester Zeit zusammengestellt werden können. Sämtliche Beschreibungen begeistern durch ihren derben aber auch sehr intelligenten Humor. So bietet das Buch wirklich blendende Unterhaltung, statt nur als Informationsquelle zu dienen.
Das RegelsystemDas Regelwerk von Deponia basiert auf dem universellen Rollenspiel-System Fate, konkreter auf der vereinfachten Variante Turbo-Fate. Diese wurde für Deponia noch weiter vereinfacht zum sogenannten Fate Trash. Ein Kasten der Buchautoren verweist darauf, dass sie selbst im Spiel jedoch auch weitestgehend auf diese Regeln verzichten und Deponia mit einem ganz eigenen, den Mechaniken des Computerspiels nachempfundenen Regelset spielen. Was zunächst deutliche Verwirrung schafft, wird klarer, wenn der Spielleiter dem Verweis folgt und dort die Varianten für ein deutlich mehr, dem Erzählen zugeneigtem, Spiel vorfindet. Die hier vorgestellten Regelmechanismen gehen einerseits weg von den Würfelelementen des Rollenspiels, aber andererseits auch von den offenen Erzählstrukturen des Fate-Systems. Leider wird die neue Spielart von Deponia nicht benannt, sondern nur als "wie-wir-Deponia-spielen" bezeichnet. Und da auch die Begrifflichkeiten Turbo-Fate, Fate Trash und die noch weiter zusammengekürzte Methode in manchen Fällen nicht trennscharf erscheinen, hinterlässt der Regelteil den Leser deutlich verwirrt.
Grundsätzlich geht es in der Deponia eigenen Methode darum, Situationen mit dem Buch beiliegenden Item-Kärtchen zu lösen, statt durch die klassische Rollenspiel-Methode auf eine bestimmte Fähigkeit des Charakters zu würfeln. Hierdurch wird dem vorherrschenden Merkmal des Point-and-Click-Adventures Rechnung getragen, der kreativen, aber auch größtenteils absurden Verwendung von Gegenständen. Wie im Computerspiel können die Charaktere diese Gegenstände im Laufe der Geschichte an allen erdenklichen Orten einsammeln. Zusätzlich wird das Einbeziehen weiterer Computerspielmechaniken vorgeschlagen, wie etwa das Abspeichern von Spielsituationen, zu denen die Gruppe zurückspringen kann, wenn sie sich verrannt haben sollte oder die Unsterblichkeit der Charaktere, zum Beispiel durch den Einsatz von Klonen. Das Regelset schafft es dadurch tatsächlich eine stimmige Computerspielatmosphäre an den Tisch zu bringen, die trotzdem das grundlegendste Element des Rollenspiels, nämlich die Kommunikation von Spielern und Spielleitern, noch stärkt, statt sie in den Hintergrund zu drängen. Die skurrile Welt von Deponia macht die genannten Änderungen auch "ingame" plausible. Ein wirklich gelungene und viel Spaß bringende Variante, nicht nur für solche Spieler, die aus dem Computerspiel Bereich kommen.
Schwieriger hingegen ist die Umsetzung des Fate-Systems. Das zentrale Element, die Aspekte, drohen aufgrund der Absurdität der Spielwelt nur schwer nutzbar zu sein. Schon die als Beispiel genannten Aspekte stellen den Spielleiter vor eine anspruchsvolle Aufgabe, möchte er Situationen schaffen, in denen all seine Spieler die Eigenheiten ihrer Charaktere einsetzen können.
Die Gestaltung von DeponiaDank der Grafiken des Computerspiels kann das Grundregelwerk glänzen. Viele Orte, und Figuren wurden eins zu eins übernommen. Auch die Item-Karten zeigen die Grafiken, der im Spiel zu findenden Gegenstände. Die Details des Layouts, wie etwa die Textkästen für den Spielleiter, sind gut an Schrott-Optik angepasst, so entsteht ein stimmiges Gesamtbild, das durch einen vollfarbigen Druck zusätzlich punkten kann. Leider wird der positive Eindruck getrübt, von der Unordentlichkeit des Layouts. Was zwar passend klingt für die Beschreibung eines Schrottplaneten, ist jedoch letztlich leserunfreundlich. Zudem wirkt es leider auch wie eine unsaubere Arbeit und nicht intendierte Unordentlichkeit, um dem Thema gerecht zu werden. Die Zeilen sind asynchron gesetzt, die Seitenränder sind zu klein und die Seiten daher zu voll. Besonders ärgerlich ist das Layout der beigelegten Item-Karten. Diese sind nicht vorgestanzt und müssen per Hand ausgeschnitten werden. Eine Aufgabe, die sich leider als schwierig erweist, da Vorder- und Rückseite nicht exakt übereinander lagen. Wenn die Vorderseite gerade ausgeschnitten wird, ist die Rückseite zerschnitten. Dass die Karten dann, durch den Versuch möglichst wenig kaputt zu schneiden, unterschiedlich groß werden, führt letztlich dazu, dass sie sich schlecht mischen lassen. Insgesamt ein großes Manko des Produktes.
Auf Nachfragen beim Verlag wurde jedoch erläutert, dass das Problem bekannt ist und Abhilfe geschaffen wird. Die Karten sollen neu gedruckt werden und Käufer des Produktes können diese dann beim Verlag anfordern und bekommen die verbesserten Karten zugeschickt.
Ein erster EinblickUm Deponia kennenzulernen und auch gleich losspielen zu können, sind Beispielcharaktere mit Illustration und vollständiger Beschreibung enthalten. Auch bei diesen Figuren werden die Skurrilität der Welt und der besondere Humor des Schöpfers deutlich. Mit insgesamt 13 sofort spielbaren Figuren steht den Spielern auch eine große Auswahl zur Verfügung. Der erste Spielabend kann mit einem kleinen Abenteuer abgedeckt werden, das fünf Seiten des Bandes umfasst. Der Plot ist recht geradlinig und eignet sich tatsächlich nicht für mehr als einen kurzen Abend. Auch das Prinzip der Karten im Beispiel Abenteuer kommt zu kurz. Mehr Tipps oder vorgefertigte Rätselplots wären als Hilfestellung für unerfahrene Spielleiter wünschenswert. So ist das Abenteuer eine nette kleine Geschichte, die jedoch nicht sonderlich dazu reizt, das Spiel in der Welt fortzusetzen.
Wer dennoch eine größere Kampagne in Deponia spielen möchte, bekommt hierfür ein paar Tipps. Ein kleines Bestiarium, sowie vereinzelte Gadgets, Waffen und Rüstungen werden vorgestellt, sodass sich einige Spielabende füllen lassen.
BewertungInsgesamt ist "Deponia" ein wirklich gelungenes Buch. Als reine Lektüre ist das Werk exzellente Unterhaltung. Als Rollenspielregelwerk enthält es viele lustige und schöne Ansätze, bleibt aber in seiner schrägen Art auch schwer zugänglich. Das Fate-System funktioniert nur mäßig gut mit seinem Hintergrund, deutlich stimmiger ist die an das Computerspiel angelehnte Eigenvariante der Autoren. Leider trübt das unordentliche und bei den beigelegten Karten fehlerhafte Layout den sonst sehr positiven optischen Eindruck. Auch das Beispielabenteuer sorgt für kleine Punktabzüge. Deponia ist nicht unbedingt ein Rollenspiel für Einsteiger in das Genre, aber eine sehr gelungene Abwechslung für "alte Hasen", die gerne zwischendurch mal ein oder zwei humorvolle Abende in einer ganz anderen Welt verbringen möchten.
Für erste Einblicke in das Spiel gibt es ein
Let´s-play-video der Autoren von Deponia.
Wer sich die Item-Karten neu bestellen möchte, kann dies beim
Uhrwerk-Verlag tun.