Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Spannung | |
Pardona ist den Spielern von "Das Schwarze Auge" meist ein Begriff, denn sie ist eine der wenigen Verhüllten Meister, auf die Rollenspielgruppen beinahe zwangläufig stoßen, wenn größere, geschichtsträchtige Abenteuer gespielt werden. Ihre Rolle in der Borbaradkampagne ist im Allgemeinen nicht weniger bekannt als ihre Stellung als oberste Dienerin des Namenlosen Gotts. Sie gilt als eine mächtige Meisterfigur, die sowohl in Aventurien als auch Myranor gefürchtet wird. In ihrem langen Leben besitzt sie durchaus Tiefpunkte, an einem davon setzt diese Geschichte ein und erzählt von ihren Plänen und Taten, um wieder zu Kraft und Macht zu gelangen.
"Legatin des Bösen" ist ein Exot unter den Abenteuern aus der Welt von "Das Schwarze Auge" (DSA) und das aus drei Gründen. Erstens ist es ein Soloabenteuer, welches keinerlei Vorbereitung oder Kenntnisse benötigt. Wer sich von der Inhaltsangabe angesprochen fühlt, der nimmt sich das Heft und liest das in etliche Abschnitte unterteilte Abenteuer ähnlich wie einen der vielen DSA-Romane. An bestimmten Stellen muss der Leser eine Entscheidung treffen und macht dann an dem Abschnitt weiter, der zu der Entscheidung passt. Die Einstufung des Abenteuers ist der zweite Grund. Während im Regelsystem von DSA 3 Stufen noch wichtig waren, haben sie mit der Einführung von Version 4 und 5 an Wichtigkeit verloren, allerdings sitzt im Hinterkopf die Information fest, dass Charaktere beim Erreichen der Stufe 21 eigentlich nicht weiter gespielt werden, da sie zu mächtig sind, um überhaupt in eine fordernde Situation mit ungewissem Ausgang zu geraten. Pardona ist allerdings so eine Figur (21+), was zum dritten Punkt führt. Regelkunde und Spielmechanismen werden bewusst außer Kraft gesetzt. Würfelwürfe jedweder Art gibt es nicht, keine Attacken oder Paraden und natürlich auch keine Zauber oder Schadenswürfe. Obwohl hier eine komplexe und geheimnisvolle Antagonistin dem Spieler als "Heldin" dient, kann jeder Einsteiger seinen Spaß an diesem Abenteuer haben.
Inhaltlich ist dieses Soloabenteuer in vier Kapitel aufgeteilt, die es zu bewältigen gilt. Die beiden Autoren Nicolas Mendrek und Mháire Stritter übergeben dem Leser/Spieler die "Leitung" des Abenteuers zu einer Zeit, als Pardona kurz davor steht, sich wieder Respekt und Macht durch eine bevorstehende Schlacht zu verdienen. Gerade, wenn klar ist, um was es geht, wird der Sprung ins zweite Kapitel vollzogen - dem längsten Teil des Abenteuers - bei dem erst einmal die Vorgeschichte beleuchtet wird. Der Urkessel von Pyradcor, der Verlust der gesamten Lebenskraft und eine Flucht in allerletzter Sekunde lassen einen kraft- und machtlosen Körper von Pardona übrig und über den gebietet nun der Spieler. Fortan lassen sich Entscheidungen treffen und das Abenteuer kann über viele Wege zu Ende gespielt werden. Der Spielfluss ist dabei mitunter davon abhängig, ob bestimmte Ziele erreicht wurden oder welche Eigenschaften das Gegenüber derzeit besitzt. Getroffene Entscheidungen beeinflussen die Geschichte, daher lässt sich das Abenteuer auch ein zweites Mal spielen oder später ein anderer Weg einschlagen. Die von den Autoren angebotene Möglichkeit die Geschichte als Gruppe zu spielen, sollte verworfen werden. Etwas über siebzig Seiten seiner Spielgruppe vorzulesen ist monoton. Stattdessen kann der einzelne Leser sich zurücklehnen und den Zauber einer hochelfischen "Heldin" allein genießen, deren Ansichten und Schicksal er hier mitbestimmen kann.
Handwerklich ist das Heft solide ausgearbeitet. Die Texte sind gut lesbar, die einzelnen Abschnitte interessant mit Details zur Umgebung und den handelnden Figuren ausgestaltet und auch die Konsequenzen einer Entscheidung ungefähr absehbar. Niemand stirbt hier, wenn er nach rechts anstatt nach links geht - was in früheren Heften leider häufiger der Fall war. Nebenbei gelingt es gleichermaßen Einsteiger, wie erfahrene Spieler in einen unterhaltsamen Lesefluss hineinzuziehen, der es schwer möglich macht, das Heft mittendrin zur Seite zu legen. In dieser Hinsicht ist das zweite Kapitel zu lang ausgefallen. Sehr viele Abschnitte und immer wiederkehrende Muster sind bisweilen ermüdend, es wäre schön gewesen, wenn auch dort Punkte zum Aus- und Neueinstieg vorhanden wären. Davon abgesehen bereitet es Spaß sich durch die anschaulich beschriebene Welt zu bewegen und mehr von der - vielleicht aus früheren Tagen bereits bekannten - mysteriösen Hochelfe zu erfahren.
Kurzum: "Legatin des Bösen" ist kein klassisches Soloabenteuer, sondern erinnert mehr an einen DSA-Roman, allerdings in Spielbuch-Variante. Eine so bekannte Meisterperson und mächtige Antagonistin als "Heldin" zu konstruieren, erfordert Mut und dieser wird belohnt, denn die erzählte Geschichte hat durchaus seine Reize, wohl aber nicht für die adressierten Einsteiger, denn die können trotz Vorwort kaum erfassen, wessen Geschicke sie hier lenken.