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Wenn es so etwas wie einen gemeinsamen Nenner dieser Einführung gibt, dann ist es die Feststellung, dass es
die Gegenwartsliteratur im Sinne einer Literaturbezeichnung wie den "Realismus" oder die "Neue Sachlichkeit" nicht gibt. Die Bezeichnung "Gegenwartsliteratur" gibt allenfalls an, dass deren Werke eine relative Nähe zur Gegenwart aufweisen. Als Zäsur dienen dem Band die Jahre 1989/90, also die Jahre der Wende, die nicht nur einen politischen Umwälzungsprozess, sondern auch eine Veränderung der "Schreibweisen, Formen, Stoffe, Motive sowie der Umgang mit Traditionen" zur Folge hatte. Ihren Ausdruck fand dies in zahlreichen Literaturdebatten wie dem deutsch-deutschen Literaturstreit sowie in vielfältigen Strömungen, die bis heute noch die aktuelle Literatur prägen. So erfuhr nicht nur der sogenannte "Poproman" eine ungeahnte Popularität, sondern es rückten nach einer anfänglichen Konzentration auf die deutsch-deutschen Befindlichkeiten eben auch Themen der Globalisierung oder Krieg und Terror in den Fokus der deutschen Literaten, die genauso wie postmodernen Spielarten des Literarischen eine Rolle spielen, wenn von der deutschen Gegenwartsliteratur die Rede ist.
Mut zu eigenen Entdeckungen zu machen, praktische Tipps zu geben und erste Wegmarken aufzuzeigen: das ist das Ziel dieser Einführung.
Eine Beschäftigung mit der Gegenwart bedeutet immer eine gewisse Unabgeschlossenheit. Zu nah sind wir an ihr "dran", zu sehr selbst in ihren Bann gezogen. So bietet der vorliegende Band lediglich eine Vermessung des Feldes, wenngleich eine äußerst gelungene. Denn was der Band in jedem Fall bietet, ist ein vielschichtiger Einblick in die unterschiedlichen Themen, Trends und Schreibweisen der Gegenwartsliteratur seit den Wendejahren 1989/90. Über weite Teile des Bandes sind dabei erzählerische Werke prägend, deren Themen vor allem - so zum Beispiel bei den Wenderomanen oder bei der sogenannten Popliteratur - im Hier und Jetzt der Entstehungszeit verortet sind. Wie im Kapitel "Fantastik und Spekulation" gezeigt wird, gibt es jedoch auch ein feines, aber schmales Segment der "irrealen" Literatur. Ebenso vergessen die beiden Autoren Leonhard Herrmann und Silke Horstkotte nicht, dass Theaterstücke und Gedichte ebenfalls Teil der deutschen Gegenwartsliteratur sind. Ihnen ist jeweils ein Kapitel gewidmet. Hinzu kommt, dass Literaturpreise, Crossmarketing und ähnliche Dinge eine immer bedeutsamere Rolle spielen, sodass der Band mit einem Kapitel zu "Literatur, Markt und Medialität in der Gegenwart" endet. Im Anhang findet sich zudem ein ausführliches Literaturverzeichnis sowie ein Personenregister. Ein Stichwortverzeichnis fehlt hingegen.
Dicht gedrängt reihen sich die Informationen im Band aneinander und spüren auf hohem Niveau den Entwicklungen und Wendungen, Ausprägungen und Besonderheiten der deutschen Gegenwartsliteratur nach. Auch wenn diese anhand von Themen wie Migration, Reiseliteratur oder auch dem 11. September international vernetzt zu sein scheinen, konzentriert sich der Band dezidiert auf deutschsprachige Autoren, welche jedoch in manchen Fällen wie bei Emine Sevgi Özdamar einen – "wie man heute so schön sagt - "Migrationshintergrund" haben. Sehr hilfreich ist, dass die beiden Verfasser immer wieder Inhaltsangaben in ihre Darstellung einbringen, sodass Leser, welche die Primärtexte (noch) nicht gelesen haben, dennoch folgen können. Einzelne Werke wie Benjamin von Stuckrad-Barres
"Soloalbum" oder Terézia Moras "Alle Tage" werden sogar in längerer Form besprochen, was auch optisch durch einen grau hinterlegten Text gekennzeichnet wird. Da das Buch ein Studien-Buch ist - obwohl ausdrücklich betont werden kann, dass literarisch interessierte jeglicher Couleur hier gewinnbringende Einblicke gewinnen - sind insbesondere die am Ende eines jeden Kapitels dargelegten "Hilfsmittel" - gemeint sind weiterführende Literaturverweise in Textform - eine gute Sache.
FAZIT: Ein vielschichtiger, Streifzug durch die deutsche Gegenwartsliteratur, die zwar unabgeschlossen bleibt, dennoch aber das weite Feld fachgerecht vermisst und mit seiner Informationsdichte viele Entwicklungen anspricht.
Weitere Informationen zum Buch sowie ein Blick ins Inhaltsverzeichnis finden sich auf der Webseite des Verlags.