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Mit einer Laufzeit von 127 Minuten und einem begleitenden 28-seitigen Heft präsentiert "Absolut Medien" einen Film mit dem Prädikat: besonders wertvoll.
Über 1500 Kilometer lang erstrecken sich die Karpaten, beginnend östlich von Wien über die Slowakei, Südpolen, die Ukraine, Rumänien und Ungarn. Andrzej Klamt und Ulrich Rydzewski haben dieses Gebiet und seine Bewohner zum Mittelpunkt ihres Films gemacht.
Die Reise des Zuschauers beginnt in der Ukraine bei dem Volk der Huzulen, einem Hirtenvolk, von dem man die Familie Marusjak kennen lernt.
In Rumänien ist es die mit ihrer Mutter zusammenlebende Marinella Urs, die von dem Leben auf dem Berg und als Verkäuferin im Dorf berichtet.
In der Slowakei zeigt der Film die Zirkusfamilie Lanik, die mit dem Zirkus "Lankson Illuzion" durch das Land zieht, und in der Slowakei lebt auch der an Kinderlähmung leidende und allein lebende Gustav Obsivan, der auf Freunde angewiesen ist und die Härten des Alltags trotzdem mit einer Vielzahl Tieren besteht.
In Rumänien lebt die Roma-Familie Pantir, deren Angehörige recht unterschiedlich über den Alltag, über Chancen und Arbeitslosigkeit berichten.
Jozef und Anna Madeja sind ein in die Jahre gekommenes Paar aus Polen, er als Fährmann tätig und in der Freizeit Jesus schnitzend.
In der Ukraine sind es die Juden David Wider und Rabbi Kolesnik, die der Zuschauer näher kennen lernt und von denen er von der jüdischen Geschichte in der Ukraine und ihrem heutigen Zustand erfährt.
In den West-Karpaten, wieder in Rumänien, erzählt der Goldminenarbeiter Radu Pripon von seinem Leben, aber auch das durch die anstehende Umsiedlung bedrückte alte Ehepaar Maria und Alexandru Zlagrean haben einiges zu berichten.
Durch fünf Länder, mit sieben Sprachen und Untertiteln in fünf Sprachen erlebt der Zuschauer die Faszination der Karpaten. Etwa die Hälfte des Films wird nicht gesprochen, sondern stützt sich allein auf landschaftliche Aufnahmen, Szenen aus dem Dorfalltag oder dem Alltag eines Lebens als Hirte. In der anderen Hälfte kommen Einwohner der jeweiligen Landstriche zu Wort, berichten von ihrem Alltag, von ihrem Glauben, ihren Hoffnungen, Wünschen, Ängsten und ihrem Bezug zu Land und Leuten.
Durch dieses Gemisch an Landstrichen und auch Menschen unterschiedlichen Alters und Geschlechts entsteht ein sehr eigenes Bild von den Karpaten und nur selten unterbricht die Frage eines Interviewers die eigenständige Faszination des Films.
Auf Kommentare jeder Art lauscht man bei diesem Film vergeblich, lediglich das Begleitheft bietet weitere Informationen zu den Ländern und zu einigen Aspekten, die von den Protagonisten des Films angesprochen werden.
Auch der Ton bleibt nahezu unberührt, denn sämtliche Erzählungen werden im Originalton wiedergegeben und sind nur durch Untertitel der deutschen oder englischen Sprache zu verstehen, was den Film nicht nur noch mehr Atmosphäre behalten lässt, sondern ihn auch dem Klang nach zu etwas Besonderem macht.
Etwas bedauerlich ist, dass trotz der Länge des Films und der unterschiedlichen Orte und Personen einige Themen sich stets wiederholen und viele angesprochenen Dinge sehr an der Oberfläche bleiben und auch durch das Begleitheft nicht tiefer erörtert werden. Diese weitergehenden Informationen selbständig einzuholen, kann für den Zuschauer natürlich auch eine Chance sein, bei der die Karpaten nicht mehr nur Heimat "Draculas" sind, sondern ein interessantes und unbekanntes Fleckchen Erde oder - wie es das Begleitheft formuliert: das Terra Incognita Europas.
Der Film wurde 2004 und 2005 vielfach ausgezeichnet, so auf dem Turnier Filmfestival als bester Dokumentarfilm, mit dem "Silberner Hirsch" auf dem Internationalen Festival für Film und Visuelle Kunst in Rhodos, mit dem "Preis des Ministers für regionale Entwicklung" auf dem elften "Envirofilm" in Banska Bystrica. Nominiert wurde er außerdem für die beste Kamera beim Deutschen Kamerapreis, für den besten Schnitt beim Schnitt-Preis und vornominiert für die beste Kamera beim Deutschen Filmpreis 2005.
Dieser Film ist sehr empfehlenswert, wenn man mehr über die Landschaft und verschiedene Einwohnertypen der Karpaten aus den verschiedenen Ländern erfahren will. Er lädt den Zuschauer nicht nur ein, sondern nimmt ihn auch mit und versteht es, dazu Bild und Klang gleichermaßen einzusetzen.
Schade ist die Begrenzung beziehungsweise Wiederholung verschiedener Themen, so tritt beispielsweise der Glauben der Menschen recht unverhältnismäßig in den Mittelpunkt, doch davon abgesehen ist dieser Film für kulturell interessierte Menschen unbedingt zu empfehlen.
Dieser Film hat keine Extras - aber er ist im Ganzen eines.