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Wie kam es zur Dominanz der westlichen Welt, die die globale Lage der letzten beiden Jahrhunderte prägt? Die klassische Geschichtsschreibung ging oft von kulturellen oder ökonomischen Vorteilen Europas aus, die fast zwangsläufig zu dieser Vormachtstellung führen musste. Die inzwischen verbreitete und erfolgreiche global history stellt diese These infrage. Denn sie betrachtet die Entwicklung der Weltgeschichte nicht aus der europäischen Perspektive, sondern aus einer globalen. So hat John Darwin die Zeit zwischen 1400 und heute in einer umfangreichen Studie globalgeschichtliche analysiert und argumentiert, dass die Vormachtstellung Europas keine Zwangsläufigkeit hatte und auch erst 1880 tatsächlich global durchgesetzt wurde.
In neun Abschnitten auf über fünfhundert Seiten berichtet Darwin von den historischen Entwicklungen über sechs Jahrhunderten in so ziemlich jedem Teil der Welt. Die einzelnen Abschnitte sind dabei zwischen fünfzig und achtzig Seiten stark. Ergänzt wird der lange Text durch vereinzelte Karten, einem Register, einem Anmerkungsapparat und einer Bibliografie.
John Darwins "Der imperiale Traum" ist vielleicht die monumentalste globalgeschichtliche Monografie, die bisher erschienen ist. Darwin vermag mit einem überwältigenden Kenntnisreichtum und erzählerischer Leichtigkeit die politische, geopolitische und sozioökonomische Geschichte des gesamten Globus der letzten sechshundert Jahre dem Leser lebendig zu vermitteln.
Der rote Faden dieser langen Erzählung ist dabei die Frage, wie kam es zur europäischen Vormachtstellung, die bis heute oftmals als Selbstverständlichkeit aufgefasst wird. Der Autor betrachtet in jedem Abschnitt Zeiträume von etwa einem halben bis ganzem Jahrhundert und erläutert die historischen Situationen und Veränderungen in den verschiedenen Kulturräumen, vor allem China, Indien, der islamischen Welt und Europa, aber auch in Amerika, Zentralasien, Afrika oder Australien. Je weiter die Erzählung voranschreitet, desto stärker interagieren die einzelnen Räume miteinander und es entsteht eine globale Perspektive.
So kann der Autor beispielsweise nachvollziehbar aufzeigen, dass die europäische Dominanz sich nicht durch technologische oder wirtschaftliche Vorteile erklären kann, sondern auch durch geopolitische oder teilweise sogar durch glückliche Umstände. So war die Entdeckung Amerikas und seine relativ einfache schrittweise Eroberung durch Europa ein geostrategischer Glücksfall. Aber auch Ereignisse in der eurasischen Welt selbst, wie etwa die Zurückdrängung des Osmanischen Reiches auf dem Balkan und vor allem durch Russland vom nördlichen Schwarzen Meer, verschaffte dem Kontinent Freiräume, die die Expansion überhaupt erst ermöglichte, während andere imperiale Kerngebiete wie Indien, China oder die islamische Welt gleichzeitig mit internen oder externen Problemen beschäftigt waren.
Wer dieses Buch liest, wird vor allem viele eurozentrische Vorurteile widerlegt finden. Auch findet sich keine monokausale Erklärung der Weltgeschichte. Vielmehr zeichnet Darwin ein komplexes Bild sowohl der Entwicklungen in den einzelnen Gebieten der Welt als auch der globalen Gesamtentwicklung. Nicht nur wirtschaftliche, technologische oder irgendwelche vermeintlichen kulturellen Aspekte spielen eine Rolle, sondern auch geopolitische oder einfach der Zufall. Auch ist diese Geschichte nicht frei von Rückschlägen für die Europäer oder knappen Entscheidungen. Alles hätte auch anders verlaufen können und wir dürfen nicht der Versuchung erliegen, die Gegenwart als zwangsläufiges Ergebnis der Vergangenheit zu betrachten. Das ist wohl die stärkste Botschaft dieser Studie.
Eine Leseprobe gibt es auf der Verlagswebsite.