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Mit leuchtenden Augen betrachten die Mitglieder der Familie Rudkus die Freiheitsstatue, als sie Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Schiff in der neuen Welt ankommen. Das Leben in ihrer Heimat Litauen war nicht leicht und so waren sie mehr als bereit, der Einladung eines alten Freundes zu folgen und in den Vereinigten Staaten ein neues Leben zu beginnen. Mit der Einstellung hart arbeiten zu wollen, soll sich ihr Traum erfüllen. Doch schon am ersten Tag werden sie betrogen und es scheint, als gäbe es jeden Tag einen neuen Tiefschlag für die Familie. Mit ungenügenden Sprachkenntnissen und einer naiven Ehrlichkeit sind sie Ausbeutern und Betrügern hilflos ausgeliefert. Bald scheint es, als gäbe es gar keine Hoffnung für sie.
"Der Dschungel", so heißt ein Roman des US-amerikanischen Schriftstellers Upton Sinclair, der Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts für einen Skandal sorgte. Sinclair, ein überzeugter Sozialist, schilderte das Schicksal des Einwanderers Jurigs Rudkus und seiner Familie, die in Chicago nach Arbeit und ein bisschen Glück suchen. Es ist ihnen nicht gegönnt. Jurgis findet eine Arbeitsstelle in den Union Stockyards, den riesigen Schlachthöfen Chicagos, in denen unerträgliche Arbeitsbedingungen herrschen. Kaum hat er das erste Geld verdient, fällt die Familie Immobilienhaien zum Opfer und ein Strudel an Schicksalsschlägen, die sich nicht aufhalten lassen, bricht über sie herein.
Kerstin Gehrmann nimmt sich der Geschichte an und erzählt sie in eindrucksvollen Bildern, die es dem Betrachter ermöglichen, das ganze Elend der Familie Rudkus nachzuvollziehen. Dabei spart sie die schlimmsten Schicksalsschläge aus, ohne die eindringliche Botschaft des Buchs zu verwässern.
Im Gegenteil, die ursprüngliche Intention Sinclairs, auf die ausbeuterischen Bedingungen in den Schlachthöfen hinzuweisen, fiel hinter der Empörung über die unhaltbaren hygienischen Bedingungen, die dort herrschten, zurück. "Auf die Herzen der Menschen hatte ich es abgesehen, ihre Mägen habe ich getroffen", wird der Schriftsteller zitiert.
Kerstin Gehrmann dagegen legt den Fokus auf ihren Protagonisten und rückt dessen Verzweiflung und Ratlosigkeit in den Vordergrund. Ihm bleibt nichts, als zuzusehen, wie seine Familie an den Lebensbedingungen zerbricht und doch immer wieder zu versuchen, sich förmlich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf zu ziehen. Sie bleibt auch der Vorlage treu, die den Sozialismus als Rettung vor den Ausbeutern lobt und endlich, endlich ein besseres Leben für die Rudkus verspricht.
Ihre schwarz weißen Bilder ergänzen die Story eindrucksvoll, weiß sie doch geschickt mit Licht und zunehmenden Schatten zu spielen und den erlebten Schrecken auf den Gesichtern ihrer Figuren abzubilden. Zuweilen ist es sogar ein wenig tröstend, dass keine Farbe verwendet wird, denn die Zeichnungen des Schlachthofes und das entsetzliche Elend der Arbeiter könnten auch in blutrot nicht eindrucksvoller sein. Zwar steckt in der Geschichte heutzutage nicht mehr der gesellschaftliche Sprengstoff, mit der die Erstausgabe des Romans aufwarten konnte, doch von ihrer Eindringlichkeit hat sie auch in Gestalt dieses Comics nichts verloren.
Mehr Infos zum Comic finden sich auf der Verlagsseite.