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Ihr geliebter Vater ist nach kurzer, heftiger Krankheit verstorben. Lotte Soltau muss seinen Nachlass regeln und nimmt daher auch eine Halle in einem verlassenen Industriekomplex in Augenschein, die ihr Vater, Alex Soltau, offensichtlich angemietet hatte. Sie findet darin mehrere Fässer mit Leichenteilen.
Rasch läuft die Polizeiermittlung an. Während Lotte Soltau immer noch an der Überzeugung festhält, dass ihrem Vater die Fässer untergeschoben wurden, sucht die zuständige Ermittlerin Kira Hallstein zusammen mit ihrem Partner Max Lohmeyer nach einem Komplizen des Täters, denn ein Mann allein kann aus physischer Sicht den Opfern nicht alles angetan haben, was sie offensichtlich durchlitten haben. Aus unerfindlichen Gründen schließt Hallsteins Chefin jedoch den zweiten Täter kategorisch aus, und Hallstein muss entgegen den Anweisungen "von oben" ermitteln, wenn sie ihren Verdacht erhärten will.
Selbst als ein weiteres Opfer mit ähnlichen Misshandlungen auftaucht, das definitiv nach Soltaus Tod ermordet wurde, möchte die Chefin keinen Zusammenhang sehen. Zumal das neue Opfer ein männlicher Jugendlicher aus gutem Hause ist und nicht, wie die Frauen in den Fässern, eine weibliche Prostituierte vom Elendsstrich.
"Wolfswut" wird als True-Crime-Thriller deklariert, und in der Tat gab es 2014 im hessischen Main-Taunus-Kreis den Fund von mehreren Fässern mit Leichenteilen durch Verwandte eines damals Verstorbenen in dessen Garage. Wie bei Gößlings Protagonist Alex Soltau reagierte das Umfeld ungläubig und schockiert.
Andreas Gößling führt in seine Geschichte einen zweiten Täter ein, der lange ein Phantom bleibt, von dem nicht einmal völlig klar ist, ob es wirklich existiert oder doch nur von der Ermittlerin Kira Hallstein als Erklärung für die mit extrem viel Kraft und brachialer Gewalt ausgeführten Folterungen und Morde an den drogensüchtigen, heruntergekommen Prostituierten dient. Denn solche Frauen wurden Opfer des offensichtlichen Mörders Alex Soltau – wie sein "Original" im hessischen Fall ein allseits beliebter, geselliger und geachteter Mann mit umfangreichem Freundeskreis, dem niemand eine Straftat und erst recht nicht eine brutale Mordserie zutraut. Doch Hallstein findet Hinweise auf eine zweite Serie mit einem völlig anderen Opfertyp, der allerdings Spuren derselben ungewöhnlichen Misshandlungen aufweist.
Aus dem im Fall des hessischen Serienmörders zugänglichen Material hat Gößling einiges gemacht. Er baut seinen Thriller geschickt auf, legt reichlich richtige und falsche Spuren, lässt halb übersehene oder vergessene Details dann doch wieder wichtig werden. Allerdings geht es in der ersten Hälfte noch recht geruhsam zu, das Ganze nimmt in Sachen Spannung erst danach kräftig an Fahrt auf, vorher wird einfach solide ermittelt. Die "Würze" – jedenfalls für alle, die es mögen – bilden häufig wiederkehrende, üppige Dosen "Splatter", Brutalität und Perversion pur, präzise und gründlich beschrieben. Da wird nicht gespart an bei lebendigem Leib und vollem Bewusstsein herausgerissenen Körperteilen, ganze Extremitäten inklusive. Wer häufig Thriller liest, kann sich darauf einlassen, tut es aber wohl nicht so gern, wenn sich alles ständig detailgenau wiederholt, nur mit anderen Opfern, und der Eindruck aufkommt, auf diese Weise solle die Spannung irgendwie gehalten werden. Dabei funktioniert das in der zweiten Hälfte, wie erwähnt, ohnehin, und am Ende gibt es einen packenden Showdown. Freilich mag die Auflösung nicht jeden Leser zufriedenstellen, ganz schlüssig wirkt sie nicht.
Gut gefallen die mit allen Ecken und Kanten dargestellten Protagonisten (übrigens auch die ebenfalls plastisch gezeichneten wichtigeren Nebenfiguren), auch wenn die Hauptermittlerin Kira Hallstein schon arg psychotisch daherkommt und es von schrägen Vögeln – um es nett auszudrücken – nur so wimmelt. Mit dem Rest des Sets kontrastiert Hallsteins Co-Ermittler Max Lohmeyer durch seine angenehme Normalität. Auch die Charaktere machen den Thriller lesenswert.
Und das ist er durchaus. Er hält neben dem True-Crime-Bezug viel interessantes Personal und überraschende Wendungen parat. Und in der zweiten Hälfte auch einiges an Tempo.
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