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Jean Louise, genannt Scout, und ihr Bruder Jem wachsen in den Dreißiger Jahren in den Südstaaten der USA auf. In den Sommerferien streunen sie durch ihre Heimatstadt, Maycomb, Alabama. Dabei denken sie sich selbst Geschichten aus und bestehen selbsterdachte Mutproben. Scout steht ihrem Bruder dabei in nichts nach, obwohl sie erst acht Jahre alt ist und oft genug muss ihr Vater, ein Rechtsanwalt namens Atticus Finch, die beiden zur Ordnung rufen. Langsam jedoch bemerken die beiden, dass sich in ihrer Heimatstadt etwas ändert. Die Nachbarn machen unfreundliche Bemerkungen über den Vater der Kinder und überhaupt wird die Stimmung feindlicher. Grund dafür ist, dass Atticus einen jungen Schwarzen verteidigen will, der angeblich eine junge weiße Frau vergewaltigt hat. Für Scout und Jem bedeutet dies, dass sie die Welt der Erwachsenen schneller kennenlernen müssen, als ihnen lieb ist.
Einfach gemacht hat es sich Zeichner Fred Fordham mit der Adaption des berühmten Romans der Autorin Harper Lee gewiss nicht. Zwar ist die Handlung des 1961 mit dem Pulitzerpreis ausgezeichneten Romans hinlänglich bekannt, doch ihr gerecht zu werden, ist eine gewaltige Aufgabe. Mit dieser Graphic Novel ist es ihm gelungen. Zwar hat er ein paar Nebenfiguren gestrichen, doch Fordham versteht es, die grundlegende Stimmung des Romans wunderbar einzufangen.
Wie im Buch wird auch die Graphic Novel aus Scouts Perspektive erzählt. Die nunmehr erwachsene junge Frau erinnert sich an ihre Kindheit, in der sie ein kleiner Wildfang war. Immer bereit für Gerechtigkeit einzustehen, selbst mit den Fäusten, war sie bestimmt kein Feigling und doch hatte sie das Herz am rechten Fleck, so wie alle Mitglieder ihrer Familie.
Ihre Erinnerungen beginnen damit, dass Jem und sie einen Jungen kennenlernen, der die Ferien bei seiner Tante verbringt. Zusammen mit ihm entdecken sie die Umgebung und erzählen sich Schauergeschichten. Besonders Boo Radley, ein mysteriöser Nachbar, den sie nie zu Gesicht bekommen, beflügelt ihre Fantasie. Indem er den Kindern auf ihren Abenteuern folgt, lernt der Leser die Nachbarschaft kennen, die so viel Wert auf gutes Benehmen und den rechten Platz im Leben legt. Dazu gehört jedoch auch, so viel wird mit der Zeit klar, eine gehörige Portion Rassismus, denn die "Schwarzen" gehören keinesfalls in die Gesellschaft der "Weißen". Hier übernimmt Fordham das Wort "Nigger", was bereits bei der Veröffentlichung des Romans für Kontroversen sorgte, von Harper Lee aber mit Absicht benutzt wurde, um den damaligen abwertenden Sprachgebrauch innerhalb der Gesellschaft zu verdeutlichen.
In seinen Bildern zeigt Fred Fordham die gesellschaftliche Spaltung und die herrschenden Vorurteile nur zurückhaltend. Trotzdem verliert die Geschichte nichts von ihrer Brisanz. Vielmehr erlebt der Leser mit Scout, der Hauptfigur, das Unverständnis der Kinder für die düstere Stimmung, die aufkommende Spannung und die steigende Bedrohung, der ihr Vater ausgesetzt ist. Dabei konzentrieren sich die überwiegend sepiafarbenen Bilder auf das Wesentliche, sowohl bei den Charakteren als auch in der Umgebung. Schnörkel und überflüssige Details sucht der Betrachter hier vergebens und nichts lenkt von der Intensität der Handlung ab. Immer straffer wird der Spannungsbogen und es fällt schwer, das Buch aus der Hand zu legen.
Ebenso wie die Vorlage ist die Graphic Novel ein kleines Meisterwerk. Fordham betont in einem Nachwort, dass er die Geschichte nicht neu erfinden wollte. Sogar die Dialoge sind, soweit möglich, dem Roman entnommen, um Harper Lees Werk Genüge zu tun. Vielleicht gerade wegen dieser Sorgfalt ist die Graphic Novel als gelungen zu bezeichnen. Sie steht definitiv auf eigenen Füßen, tut dies jedoch mit Respekt vor dem Original und lässt den Leser dank der gelungenen Zeichnungen gerührt zurück.
Weitere Informationen zu dem Buch sind auf der Verlagsseite zu finden.