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Die Kurzgeschichtenanthologie ist das Ergebnis eines Wettbewerbes unter jungen Autoren, die ihre Geschichten und Ideen über das Abenteuerland Aventurien erzählen. Auch finden sich einige Texte bekannter Autoren in der Reihe der 22 Kurzgeschichten, wie "Zinke rennt" von Sasa Stanisi, "Festung aus Holz" von Thomas A. Ruhk und "Der Tote im Park" von Stephanie von Ribbeck. Als Zusatz findet sich die für die Spielhilfe "Am Großen Fluss" eingeplante Kurzgeschichte "Das Königsgrab" von Tyll Zybura.
Wie bei einer Sammlung von Kurzgeschichten nicht anders zu erwarten, befassen sich die Texte nicht nur mit unterschiedlichen Erzählungen über Liebe, Kampf, Mut, Verzweiflung und Sehnsucht, auch spielen die Geschichten an den unterschiedlichsten Orten Aventuriens. Der Leser kann somit, Aves, dem Halbgott der Reisenden und Abenteurer entsprechend, seine Reise von Al´Anfa, der Perle des Südens, über das fortschrittliche Horasreich, dem kaisertreuen Mittelreich, bis hin in das kühle Bornland oder das mystische Orkland antreten. Aus dieser Reise seien einige Geschichten exemplarisch hervorgehoben.
Vom Traum der vollendeten Dichtkunst getrieben, zieht es einen aufstrebenden Poeten gen Süden, nach Al´Anfa, der Perle oder auch Pestbeule. Auf den Spuren seines großen Vorbildes versucht er, die gleichen Eingebungen zu erhalten, die ihn zu einem unvergesslichen Meister der Dichtkunst machen werden. Doch auch wenn er fühlt, dass in ihm Talent schlummern mag, so vermag er es nicht zu entfesseln und vergisst Gefährten und sein ganzes Leben um sich herum, um in Selbstmitleid zu vergehen.
Im weit entfernten Bornland hingegen wagt es ein junger Bursche, sich seine Liebe einzugestehen. Bald jedoch wird ihm vor Augen geführt, was der Stand in einem Land wie dem Bornland zu bedeuten hat. Machtlos muss er mit ansehen, wie seine Geliebte vom ansässigen Adligen in dessen Burg geholt und erst spät in der Nacht wieder vor die Tür geworfen wird. Der Bursche ahnt Schreckliches und eilt zu ihr, doch zu spät. Kaum erreicht er sie, hat sie schon die Klippe erreicht und stürzt sich hinab in den sicheren Tod. Ihm bleibt nur die Rache, und nur der Gedanke an die Umsetzung seines Plans lässt ihn die unendliche Wartezeit ertragen, die er als Knecht des Mannes verbringt, der einziges Ziel seiner düsteren Gedanken ist.
Eine Heldenzeit scheint angebrochen zu sein, als die junge Hesindegeweihte in einer alten Herberge unterkommt. Doch verzögert sich ihre Weiterreise, als der Stallbursche tot aufgefunden wird und nur die Gäste des Hauses als Täter in Frage kommen. Was haben auch ein Krieger, ein Magier, ein Zwerg und ein Streuner gemeinsam mitten in dieser Einöde zu suchen? Die junge Geweihte muss sich beweisen und den Kriminalfall lösen.
In einer anderen Kneipe, nahe Andergast, beweist sich ein Wirt hingegen als Held, der trotz der namenlosen Tage und seiner nicht minderen Furcht als die der anderen Gäste des Hauses im richtigen Moment richtig zu handeln weiß, als erst eine Elfenfrau, dann ein Krieger und schließlich der Lehnsherr selbst seine Herberge betreten.
Im Orkland gilt es hingegen, den richtigen Weg zu finden. Die Waffen- und Kriegssippschaft der Orks ist zwar seit jeher Tradition und Kultur gleichermaßen, doch kommt es in vielen Zyklen immer wieder vor, dass einer geboren wird, der seinen eigenen Weg gehen muss, und sei es der fort von der Sippe, fort von heimischen Jagdgründen und Gefilden - der Weg eines Ausgestoßenen, eines Yurach.
Die Anthologie der 22 Kurzgeschichten ist vielseitig und spricht durchaus für die Auslese der Herausgeberin Momo Evers. Auch wenn keine Geschichte aus ihrer Feder zu finden ist, so findet sie schöne und passende Worte zur Entstehung der Anthologie für die Autoren wie für den Leser.
Die Geschichten selbst weisen neben verschiedensten Thematiken, Charakteren und Handlungsorte natürlich auch unterschiedliche Qualitäten auf, was Schreibstil und Ausdruck betrifft. So kommt es immer wieder vor, dass man sich erst über einige Zeilen an die neue Schreibweise des jeweiligen Autors gewöhnen muss, bevor man sich verdeutlichen kann, wo dessen Geschichte spielt und worum es genau geht. Eher mäßiger Stil ist besonders, wenn auch verständlich, bei den Erstveröffentlichungen zu verzeichnen, was dann jedoch meist durch sehr schöne Ideen zum Inhalt oder zur Struktur der jeweiligen Geschichte wettgemacht wird.
In diesem Zusammenhang sollten folgende Geschichten hervorgehoben werden:
In der Erstveröffentlichung "Saatfest" finden sich zwar teilweise für Romane ungewohnte Satzkonstruktionen, jedoch besticht die Geschichte durch authentische Beschreibungen eines bornländischen Liebesdramas mit all seinen Facetten. Selbst innerhalb der Kurzgeschichte gelingt es der Autorin Nenja Sowa, den Charakter plastisch und glaubhaft werden zu lassen.
Eine sehr schöne Geschichte mit deutlichen Unterschieden der detailreich dargestellten Charaktere, sowie eines Trolls, erzählt David N. Schmidt in einem etwas untypischen weidener Heldenepos.
Stilistisch überzeugende Geschichten, die sich auch durch hervorragende Erzählstränge hervortun, finden sich in "Zinke rennt", wie auch in "Der Tote im Park". Auch wenn die Autoren Sasa Stanisi und Stephanie von Ribbeck nicht unbekannt sind, so haben sie mit den beiden Kurzgeschichten nennenswerte Werke verfasst. Besonders der Humor und Ideenreichtum von Sasa Stanisi dürfte jeden Leser amüsieren und macht "Zinke rennt" zu einer der besten Geschichten der Anthologie. Daneben erhält man durch "Der Tote im Park" nicht nur einen Einblick des goblinischen Lebensstils, sondern kann sich ebenfalls an guten Beschreibungen erfreuen.
Durch die Vielseitigkeit der Autoren, von denen jeder eine sehr gut recherchierte Geschichte erzählt, erhält der Leser bei jeder Kurzgeschichte einen detaillierten Einblick der jeweiligen Region, so dass die Anthologie sehr viel Hintergrundwissen zu bieten hat. Leider wirkt der unterschiedliche Schreibstil teilweise etwas belastend auf die Geschichten und auch finden sich weder die bekannte Aventurienkarte noch ein Anhang im Werk wieder. Dennoch dürfte die Anthologie für jeden Leser mehrere Geschichten zu bieten haben, auch wenn das Lesen der übrigen, nicht so ansprechenden Geschichten eher müßig ist. Alles in allem eine nette Sammlung ideenreicher und fantasievoller Geschichten, gerade für Liebhaber von Kurzgeschichten oder Freunden kurzer Kapitel.