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Michael Polischka lebt genau fünf Jahre im Paradies - mit drei eigenen Zimmern, einem Videobeamer, Computer-Netzwerk und Designersocken. Dann werden er und seine Mutter rausgeschmissen von ihrem neureichen Liebhaber Klaus, weil der findet, dass sie zugenommen hat und nicht mehr vorzeigbar ist. Von da an heißt es raus aus dem noblen Villenviertel im Berliner Stadtteil Zehlendorf und ab nach Neukölln in eine schäbige Zweizimmerwohnung, Tür an Tür mit heruntergekommenen Second-Hand-Läden und unzähligen Dönerbuden.
Für Michael tut sich eine erschreckende neue Welt auf - eine Welt, in der die Eltern nicht unbedingt für die Kinder da sind, in der der Sozialarbeiter ein häufiger Gast ist und in der einen die Erwachsenen nicht beschützen. Auf der Schule wird der Fünfzehnjährige sofort von einer Bande älterer Jugendlicher terrorisiert, die ihn überfallen, seine Schuhe klauen und ihn erpressen wollen, weil sie ihn für reich halten. Um an das geforderte Geld zu kommen, rauben Michael und seine neuen Freunde Matze und Krille die Villa des Ex-Freundes seiner Mutter aus. Der Erlös aus dem Raub reicht Errol, dem Anführer der Erpresser, nicht, doch Michael wird überraschend von Hamal, dem Chef einer Drogenmafia, gerettet. Michael lässt sich auf krumme Geschäfte ein und wird zum Drogenkurier für Hamal, der ihm als Gegenleistung Schutz vor Errol und seiner Bande anbietet. In einer Spirale von Gewalt und Kriminalität schaukelt sich die Angelegenheit immer weiter hoch - und nimmt, wie der Zuhörer schon bald ahnt, kein gutes Ende, denn die Rollen von Opfer und Täter vertauschen sich
"Knallhart" hält, was der Titel ausdrückt, und wirft den Leser direkt in eine Welt, die für viele Jugendliche traurigerweise tatsächlich Alltag ist: Gewalt, Drogen und Kriminalität statt behüteter Jugend und Spaß in der Schule. Das Thema ist gerade wieder unglaublich aktuell, nachdem Nachrichten von der Berliner Rütli-Schule, ebenfalls im Stadtteil Neukölln, Schlagzeilen machten, weil die Lehrer dort sich nicht mehr gegen die Schüler zur Wehr zu setzen wussten. Tessnows Geschichte, die lange vor diesen Schlagzeilen im Jahr 2004 erschien, erzählt recht plakativ einen sozialen Abstieg, dankenswerterweise ungekünstelt und ohne erhobenen pädagogischen Zeigefinger. Platte Sprüche wie "Gewalt ist doch keine Lösung" haben hier keinen Platz - zu realitätsfern wäre ein Happy End. Erpressung, Unterdrückung, Mobbing und Gewalt sind leider an mehr deutschen Schulen präsent, als man glauben möchte. Doch trotz der bedrückenden Themen besitzt die Geschichte auch sehr komische Momente, ist durchgehend packend erzählt und auch sprachlich direkt aus dem Leben gegriffen. Zu bemängeln ist lediglich, mit welcher relativen Leichtigkeit Michael, der vorher ein ganz normaler 15-jähriger war, am Ende plötzlich eine eiskalte und schnelle Entscheidung trifft - hier werden die Ängste und Zweifel des Jungen einfach nicht genug deutlich gemacht, so dass sein Handeln unplausibel und unangemessen unspektakulär wirkt.
Gelesen wird das Hörbuch, das bei einer Laufzeit von 222 Minuten drei CDs umfasst und bei Audiobooks on Demand erschienen ist, von Nachwuchsschauspieler David Kross. Kross hat auch die Hauptrolle in der viel beachteten Verfilmung von "Knallhart", bei der Detlef Buck Regie führte, übernommen. Er erweist sich als Sprecher als gute Wahl, liest überzeugend und kann den Zuhörer durch seine jugendliche Stimme besser mitreißen, als ein bekannterer Sprecher dies vermocht hätte. Die Geschichte wird komplett aus der Ich-Perspektive von Michael Polischka erzählt, so dass man als Hörer leicht mit ihm mitfiebern, mitleiden und mitfühlen kann.
Fazit: Schonungslose und realistische Jugendliteratur, ansprechend und spannend erzählt und in der Hörbuchfassung durch David Kross überzeugend vorgetragen. Ob das drastische Ende überzogen ist, sollte der Zuhörer selbst entscheiden. "Knallhart" ist sowohl für Jugendliche ab etwa 14 Jahren interessant als auch für Erwachsene, die nicht vergessen haben, wie es ist, 15 Jahre alt zu sein.