Der Vorgänger ist ein legendäres Büchlein, das in immerhin 21 Auflagen seit 1953 die dramatische Bildung unterstützt. Jetzt gibt es einen neuen Schauspielführer von Reclam, im gleichen Handtäschchen-Format, mit vielen bunten Bildern und über tausend Seiten.

Das Konzept ist nicht groß verändert worden, aber alle Texte sind neu, alle Bilder sind neu und so wirkt der Schauspielführer bei gleichgebliebener Seriosität deutlich frischer. Dramatiker, die zwischen 525 vor und 1971 nach Christus geboren sind, werden nach Geburtsdatum chronologisch geordnet, mit ihren wichtigsten dramatischen Werken beschrieben. Bei manchem Dramatiker sind das knapp zwei Seiten, bei Shakespeare knapp vierzig, es kommt halt auf die Wichtigkeit an - und natürlich auf die Schaffenskraft.

Nach einer kurzen, aber einigermaßen umfassenden Biographie des Dramatikers folgen die Stücke, jeweils mit Personen, einer kurzen Inhaltsangabe und einem Teil, der einerseits die Quellen anspricht, andererseits zeigt, wie das Stück rezipiert wurde und was andere daraus gemacht haben - also Bearbeitungen, Opern, Filme und so weiter.

Eine schwierige Auswahl hatten Herausgeberin Marion Siems und ihre Redaktion natürlich vor allem bei den zeitgenössischen Autoren, bei denen eben nicht klar ist, ob sie in ein paar Jahren noch von bleibendem Wert sind, oder ob sie eigentlich gestern schon vergessen waren. Aber die Auswahl ist recht vorsichtig und aufgrund der Regel, dass die nach 1960 geborenen auf jeden Fall nur ein Stück in ihrem Bereich haben, konnte eine noch ganz brauchbare Menge in diesem Teil vereint werden. Mancher Autor, der in den Sechzigern und Siebzigern noch groß war und daher in den bisherigen Editionen des Schauspielführers groß gewürdigt wurde, kommt nur noch am Rande vor, da hat sich vieles relativiert, manches war halt nur zu einer speziellen Zeit wirklich wichtig.

Auch dieser Schauspielführer wird bald Überarbeitung brauchen, denn das Theater schreitet immer noch voran, aber darauf ist das Konzept ja auch angelegt. Dieser neue Schauspielführer führt die Arbeit am alten fort, auch wenn alles neu ist. Dankbar darf man sein, dass die Sprache nicht an germanistischen Fachwortergüssen krankt, sondern immer gut verständlich und ohne großes Vorwissen lesbar ist, und natürlich dafür, dass aus vielen Artikeln pure Kompetenz klingt, die nie aufgesetzt ist. So ist Reclams neuer Schauspielführer wieder eine Referenz und ein nützlicher Begleiter.