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"Das vielleicht beste Fantasy-Epos überhaupt." Dieses Zitat von Marion Zimmer Bradley zeigt das Cover der meisten Bände von "Das Lied von Eis & Feuer", und dieses Urteil wird von vielen Lesern geteilt. Bemerkenswert ist die Struktur der Bücher. Eine ganze Menge von Figuren werden als Protagonisten ihrer Kapitel gezeigt. Zwei bis drei Handlungsstränge sind noch relativ üblich, im ersten Band "Die Herren von Winterfell" sind es immerhin acht. Viele davon sind speziell zu Beginn noch beieinander, verteilen sich dann aber in alle Richtungen.
Westeros, ein Königreich, ein Kontinent. Vom Süden, wo die Prinzen von Dorne herrschen, über Highgarden und die inneren Königslande um King's Landing, von Casterly Rock, dem Heim der Lannisters, über die Flusslande, in der die Tullys herrschen, zur Eyrie, der uneinnehmbaren Bug der Arryns. Und dann gibt es noch den riesigen eisigen Norden, wo die Starks von Winterfell zu Hause sind, die ehemaligen Könige des Nordens. Der Norden wird beschützt von der Mauer, einem Hunderte Meter hohen Bauwerk aus Eis und Stein, das ganz Westeros vor den Schrecken des Nordens beschützt, bemannt von der immer kleiner werdenden Nachtwache, der Bruderschaft in Schwarz. Seit neun Jahren hält der Sommer schon an, und auf einen langen Sommer folgt meistens ein harter und langer Winter - und der Familienspruch der Starks von Winterfell lautet: "Der Winter naht".
Ein Deserteur der Nachtwache verdient den Tod, und Lord Eddard Stark, Herr von Winterfell, vollstreckt das Urteil selbst, wie es Tradition im Norden ist. Bran, eigentlich Brandon, der mittlere Sohn und fast acht Jahre alt, muss zum ersten Mal dabei sein, denn später wird er diese Tradition selbst fortführen müssen. Brans älterer Bruder Robb und ihr Bastardhalbbruder Jon Snow reiten voran und finden etwas Besonderes. Eine tote Schattenwölfin und ihre noch lebenden Welpen liegen im leichten Sommerschnee. Es sind genauso viele Welpen wie Kinder von Eddard Stark, sogar ein Albino für Jon Snow. Robb, Bran, der kleine Rickon und ihre Schwestern Arya und Sansa haben nun ganz besondere Haustiere, denn die Wölfe werden fast doppelt so groß wie normale Wölfe - und der Schattenwolf ist das Wappentier der Starks. Allerdings starb die Mutterwölfin an einem Stück Hirschgeweih, und der Hirsch ist das Tier der Baratheons, der Familie des Königs Robert - doch Robert ist nicht nur Eddards König, sondern auch sein Freund.
Erste schlechte Nachrichten dringen nach Winterfell. Jon Arryn, Schwager von Catelyn Stark, rechte Hand des Königs und Herr des Grünen Tals, ist plötzlich verstorben, und der König kommt mit seinem halben Hofstaat in den Norden nach Winterfell. Eddard soll Arryns Nachfolger werden, doch fürchtet dieser die hinterlistigen Lannisters, die mit im Hofstaat reiten werden, denn Cersei aus diesem Hause ist die Königin, ihr Zwillingsbruder Jaime einer der Ritter der Königsgarde, und der zwergwüchsige Bruder Tyrion wird natürlich auch dabei sein. Drei Kinder haben Robert und Cersei auch, alle kommen nach der Familie der Lannisters und Kronprinz Joffrey ist ein ausgesprochener Kotzbrocken.
Der Aufenthalt des Königshofs in Winterfell führt zur ersten Runde im "Game of Thrones", wie der Originaltitel des ersten Bandes lautet. Neben drei Kindern der Starks, nämlich Bran und den beiden Mädchen, ihrem Bastardbruder Jon Snow, Eddard und Catelyn Stark ist auch ein Lannister eine Kapitelhauptfigur, nämlich Tyrion. Außerdem gibt es noch Daenerys Stormborn aus dem Hause Tagaryen, dem Königshaus, das Robert Baratheon fast auslöschte. Sie wird mit dreizehn schon von ihrem Bruder Viserys an einen Pferdelord der Dothraki verheiratet, und sie verändert sich nach dieser Heirat grundlegend. Dieser Handlungsfaden wird übrigens in den ersten sechs Bänden nicht mit den anderen ernsthaft kombiniert -allerdings wird die Tatsache, dass Daenerys existiert, am Königshof bekannt und macht König Robert auch gehörige Sorge - die Serie ist wohl für eine ziemliche Größe ausgelegt.
Bei der Größe der Geschichte, den vielen kleinen Details, die auf weitere Geschichten und andere Details verweisen, bei der ganzen Dichte und der immer stimmigen Weite der Geschichte möchte man ja fast das Schimpfen vergessen, doch leider ist dieser erste Band "Die Herren von Winterfell" nur die erste Hälfte des "Game of Thrones"-Originals, dieses Auseinanderreißen von Büchern ist eine absolute Unsitte, man kann oft genug normale Bücher zu wuchtigen Riesen aufblähen, warum kann man dann nicht auch ein solches Buch als Einheit bestehen lassen, selbst wenn es viel Text ist? Das ist Abzocke!
Aber ansonsten: Da ist nichts langweilig, da ist nichts gequält, ein großartiges Fantasy-Epos ohne exzessive Verwendung von fantastischen Elementen. Genau aus diesem Grund vermögen die seltsamen Monster jenseits der riesigen Mauer für Unbehagen zu sorgen, genau deshalb ist das bisschen Magie, das auftaucht, so unberechenbar und spannend. Großartig besondere Wesenheiten gibt es ansonsten aber nicht, die letzten Drachen sind schon lange verstorben. Eine hochmittelalterliche Welt voller Intrigen und Gewalt, aber auch voller großer Werte, voller Hingabe und Loyalität - und immer wieder werden Erwartungen geweckt und ins Gegenteil verkehrt, ohne je willkürlich zu sein. Manchmal geht George R. R. Martin wirklich roh mit seinen Hauptfiguren um, und doch muss man weiterlesen, es gibt ja noch so viele andere.
Kein Fantasy-Epos ist so voller Leben, voller Schicksal, voller Gewalt und Tod. Und ganz nebenbei ist "Das Lied von Eis und Feuer" nicht prüde - das ist in der Fantasy sonst kaum mal der Fall. Neben Robin Hobb ist George R. R. Martin das Beste, was der Fantasy in den letzten Jahrzehnten passiert ist.