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"Das Kopfkissenbuch der Dame Sei Shonagon" (im japanischen Original "Makura no Soshi") ist eines der bedeutendsten literarischen Werke Japans und wird wohl jedem Japanologiestudenten vertraut sein. Es handelt sich um eine Art Tagebuch, in dem die Hofdame Sei Shonagon (etwa 966 bis 1025) von 1001 bis 1010 westlicher Zeitrechnung während ihrer Musestunden ihre Eindrücke, Gefühle, Meinungen und auch Gedichte zum Leben am Heian-Hofe äußerte.
"Wie dunkel wäre oft unser Dasein ohne die Möglichkeit, einander zu schreiben. Wenn es schon eine Erleichterung bedeutet, alles niederzuschreiben, was uns quält und bedrückt, mit der leisen Hoffnung, dass der, um den man sich sorgt, es doch eines Tages lesen wird - wie viel mehr bedeutet das Eintreffen einer Antwort! Ist nicht oft ein wahres Lebenselixier?"
Auf 126 Seiten berichtet Shonagon beispielsweise von den ersten Tagen einer Hofdame, von Tempeltänzen, dem traditionellen japanischen Kirschblütenfest oder der rührenden Geschichte des Hofhundes Okinamaru: Der arme Hund verstand den Befehl einer Hofdame falsch und stürzte sich auf eine Katze, die daraufhin erschreckt vor ihm flüchtete und dem überraschten Kaiser mitten auf den Frühstückstisch sprang. Okinamaru wurde zur Strafe verbannt. Der ganze Hof beklagte das Schicksal ihres treuen Vierbeiners.
Nach drei Tagen war das Winseln eines armselig aussehenden und zitternden Hundes zu vernehmen, der jedoch nicht auf den Namen Okinamaru zu hören schien. Shonagon trauerte um den ihr lieb gewonnen Hund und sprach in Gedanken zu sich, wie traurig sie um Okinamarus Tod sei. Wann er wohl wiedergeboren werde? "Und siehe da, kaum hatte ich diese Gedanken recht erwogen, da sah ich, wie der Hund plötzlich zu zittern begann und Tränen aus seinen Augen rollten! Es war unser Okinamaru!"
Neben diesen beinahe an Parabeln erinnernden Geschichten berichtet Shonagon in ihrem Tagebuch von Klatsch am Kaiserhof, der viel zum Verständnis der Kultur jener Zeit beiträgt, und schildert das intime Leben und Treiben hinter den Bambusläden und Seidenvorhängen, mit all den lockeren erotischen Formen, die sich in der Hofwelt jener Zeit herausgebildet hatten. Dabei verwendet die Autorin stets sehr poetische Redewendungen wie: "Aus der Mitte der Blütendolde wachsen rasch die Früchte wie goldene Perlen hervor."
"Das Kopfkissenbuch der Dame Sei Shonagon" vermag es auch noch heute, fast tausend Jahre später, seine Leser zu bezaubern. Die Heian-Zeit - eine Epoche in Japan von 794 bis 1185, in der am Hof von Heian die japanische Kultur, Kunst und Sitten auf das Höchste verfeinert wurden, steht in Shonagons Aufzeichnungen wieder auf und wird dadurch für den Leser bunt und lebendig. Unterstützt wird dieser Eindruck auch noch durch schwarz-weiße Illustrationen von bekannten japanischen Holzschnittkünstlern wie Kitagawa Utamaro (1753 bis 1806), Isoda Koryusai und (1735 bis 1790) und Kikugawa Eizan (1787 bis 1867).
Für jeden Japanologie-Studenten ist die Lektüre von "Das Kopfkissenbuch der Dame Sei Shonagon" natürlich ein Muss, aber auch allen anderen Lesern ist das Buch zu empfehlen. Es wird den Leser in seinen Bann ziehen und ihm einen interessanten und vielseitigen Einblick in das alte Japan geben.