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Dass er, der bildschöne, hoch gewachsene, intelligente und vor allem musikalisch sehr begabte Hohenzollernprinz, Lieblingsneffe Friedrichs des Großen war, nützte ihm nicht viel: Der 1772 geborene Louis Ferdinand jagte Glück, Liebe und Erfolg leidenschaftlich, aber letztlich vergeblich nach.
Seine den alten preußischen Idealen verpflichteten Eltern können mit dem lebensfrohen, temperamentvollen, auch Untergebenen gegenüber stets warmherzigen jungen Prinzen nichts anfangen und behandeln ihn mit übertriebener Strenge; einzig seine Schwester hält immer zu ihm. Schon bald umschwärmen ihn allerdings die Frauen jeden Alters, und diese Anziehung beruht auf Gegenseitigkeit. Als Sechzehnjähriger wird er infolge einer eigentlich bedeutungslosen Affäre Vater einer Tochter - ein erster Skandal. Sein Lebenswandel bringt ihm eine angesichts seines Ranges untergeordnete Stellung beim preußischen Militär ein, in der er sich jedoch durch Wagemut hervortut. Friedenszeiten liegen ihm nicht, zumal er es wagt, die lasche Politik der Nachfolger seines berühmten Onkels bezüglich Napoleons zu kritisieren. Louis wird von seiner verärgerten Familie mehrmals öffentlich gedemütigt, denn er verschuldet sich zunehmend und hat zahlreiche Liebschaften, auch mit verheirateten Frauen; pikanterweise interessiert er sich unter anderem für die Frau und die Schwägerin des jungen Königs. Aber er pflegt auch geistigen Austausch in den gerade aufgekommenen Berliner Salons nach französischem Vorbild.
1799 lernt er die sechzehnjährige Henriette Fromme kennen. Sie weckt in ihm erstmals den intensiven Wunsch nach einer Familiengründung. Da er niemals die Genehmigung zu einer Heirat mit der Bürgerlichen bekommen würde, macht er sie zu seiner Lebensgefährtin. Sie haben zwei Kinder, die Louis abgöttisch liebt und um die er sich aufmerksam kümmert, auch dann noch, als die Leidenschaft für Henriette nach wenigen Jahren abkühlt und er sich in ihre Freundin Pauline Wiesel verliebt. Es kommt zu einer eigenartigen "Ménage à trois", die auf Dauer den Frauen nicht bekommt, vor allem aber dem Frauenhelden Louis zusetzt.
Als Preußen endlich doch in den Krieg gegen Napoleon eintritt, kommt ihm das wie gerufen, auch wenn er mit seinem klaren Sinn für militärische Strategie begreift, dass Preußen in der gegenwärtigen Konstellation nicht gewinnen kann. Für seinen König und Großcousin, der dem jungen, brillanten Heißsporn nie etwas abgewinnen konnte, fällt Louis Ferdinand im Rahmen einer mutigen Aktion 1806 in der Schlacht bei Saalfeld.
Die Autorin berichtet in der Einleitung und zu Ende ihres Buchs über ihre Suche nach den von Louis Ferdinand hinterlassenen wenigen Spuren. Sie hat sich schon als Kind für den ungewöhnlichen Preußenprinzen interessiert und blieb dieser Faszination treu. Die Begeisterung für LouisÂ’ schillernde Persönlichkeit ist auch in der eigentlichen Biografie nicht zu übersehen, trotzdem orientiert sich die in einem leichten und erzählerischen Stil verfasste und spannend zu lesende Darstellung überwiegend an den durch Quellen belegten Fakten. Die Autorin zeigt zudem auf, welchen der zitierten Quellen man mit Vorbehalten begegnen muss, weil sie entweder von persönlichen Interessen geprägt sind oder das Hörensagen wiedergeben. Renate Fabel ergründet anhand der zeitgenössischen Berichte und der Schriften (insbesondere Korrespondenz) des Prinzen den Charakter und die Beweggründe des von den meisten Menschen in seinem Umfeld nicht verstandenen Hohenzollern-Sprosses, der einerseits wie ein typischer Vertreter des "Sturm und Drang" und früher Romantiker wirkt, andererseits freilich dem preußischen König und seinem Land bis zur Selbstaufopferung ergeben war - wobei das für einen aufgeklärten jungen Mann königlichen Geblüts trotz der Enttäuschung durch ständige Zurückweisung vielleicht keinen Widerspruch darstellte.
Louis Ferdinand hat als "Enfant terrible" seines Hauses in der Geschichtsschreibung praktisch keine Spuren hinterlassen. Die mangelnde Relevanz seiner Person für die weitere Entwicklung Preußens ist indes kein Grund, diese Biografie nicht zu lesen, denn sie beschreibt nicht nur die ausgesprochen tragische Figur eines Unangepassten, Gescheiterten, dem seine Geburt eigentlich alle Chancen eröffnete, sondern auch das interessante Umfeld des Prinzen während der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, als der preußische Hof sich schwertat, seinen aufgeklärten Absolutismus den neuen Gegebenheiten anzupassen, vor allem aber der Bedrohung durch Napoleon zu begegnen. In diesem Umfeld zeigt sich schon die neue Rolle des aufstrebenden Bildungsbürgertums, dem modern denkende Adlige wie Prinz Louis Ferdinand mit Interesse und Wertschätzung begegneten.
Insgesamt also eine packend geschriebene und informative Biografie über eine außergewöhnliche Persönlichkeit, die am falschen Ort und wohl auch zur falschen Zeit in die falsche Familie geboren wurde und trotz aller Brillanz an ihrer innerlichen Heimatlosigkeit zerbrach.