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Tracy Chevalier ist dafür bekannt, dass ihre Romane immer wieder ein historisches Ereignis oder auch ein Gemälde behandeln und ihm Leben einhauchen. So auch hier, wo die Zeit der blutigen Bartholomäusnacht und der Hugenottenverfolgung mit der Gegenwart verschmilzt
Ella, eine junge Amerikanerin, ist eben erst mit ihrem Ehemann Rick aus Amerika nach Frankreich immigriert, da ihr Mann hier eine neue Anstellung gefunden hat. In aller Eile sucht sie ein Haus für die beiden und wird auch schnell fündig. Nun fehlt zu ihrem Glück nur noch ein Kind, so denken die beiden. Doch mit den Bemühungen um eine Schwangerschaft fangen bei Ella Alpträume an. Sie kann sich an diese Träume nicht mehr erinnern, nur an ein ganz bestimmtes Blau, was die Träume immer beherrscht. Es ist zugleich hell und dunkel, freundlich und bedrohlich. Ella macht sich auf die Suche nach dem Ursprung ihrer Träume.
Dabei findet sie Unterstützung von Jean-Paul, dem Bibliothekar des Örtchens Lisle-sur-Tarn, wo sie wohnt. Zunächst ist er abweisend wie alle Franzosen der Amerikanerin gegenüber, doch bald taut er auf. Nicht zuletzt, weil sie sein berufliches Interesse weckt. Das Blau, von dem sie träumt, ist das Blau, was oft benutzt wurde, um den Umhang der Jungfrau Maria darzustellen. Einer der Maler, der die Farbe verwandte, scheint sogar ein Vorfahr Ellas zu sein. Begeistert begibt sie sich auf die Suche, doch das Geheimnis, dem sie auf der Spur ist, scheint ein düsteres zu sein.
Ein Name, auf den sie bald stößt, ist Isabelle du Moulin, eine schöne und tapfere Hugenottin, die in der Familiengeschichte ein wichtige Rolle zu spielen scheint - nicht zuletzt, weil sie als Hexe verschrien war. Die übersinnlichen Fähigkeiten, die ihr angehängt wurden, hatte LaRousse, wie Isabelle wegen ihrer Haare genannt wurde, wirklich, und sie vererbte sie tragischerweise an ihre kleine Tochter Marie, deren Haar ebenfalls die verräterische rote Farbe annahm. Marie konnte ihre Fähigkeiten nicht so gut verbergen wie die Mutter und wurde daher zum Opfer der Schikane von ihrer Großmutter und ihrem Vater. Isabelle und Marie standen in der Familie und der Gemeinschaft der Hugenotten isoliert und mussten immer wieder um ihre Sicherheit und ihr Leben fürchten.
Die Kapitel wechseln von der Vergangenheit in die Gegenwart, mal handeln die Seiten von Ella, dann wieder von Isabelle. Dabei muss man leider sagen, dass die historischen Kapitel um einiges gelungener sind als die modernen. In den modernen werden Vorurteile ausgegraben, die heute, im 21. Jahrhundert, in einem Zeitalter des Reisens, nicht mehr so auftreten sollten. Die Franzosen sind alle unfreundlich und misstrauisch gegenüber der Amerikanerin, die Schweizer hingegen sind alle nett und langweilig. Nur die Amerikanerin Ella verhält sich vorbildlich und gibt keinen Grund zur Antipathie, sondern ist das arme Opfer der bösen französischen Dorfbewohner.
Zudem ist der Zusammenhang zwischen Isabelle und Ella sehr konstruiert und beruht auf haarsträubenden Zufällen. Wie wahrscheinlich ist es, dass eine Amerikanerin zufällig in die Gegend zieht, aus der ihre Vorfahren stammen? Und dass sie in der Schweiz ein Haus findet, bei dem sie instinktiv spürt, dass die gleichen Vorfahren hier lebten? Wenn man nicht ein Verfechter der weiblichen Intuition ist, erscheint es dem Leser auch komplett undurchsichtig, wie Ella auf einmal weiß, was das düstere Familiengeheimnis ist. Mit Logik oder auch nur dem Wunsch nach Beweisführung kommt man da nicht weit, alles beruht auf Zufällen und Instinkt.
Ein weiterer störender Punkt ist, dass die Autorin viele Handlungsstränge überhastet zu Ende führt. Zehn Seiten vor Schluss stehen noch alle Wege offen, dann auf einmal ist so gut wie alles geklärt.
Aus der Geschichte um LaRousse und um die Hugenottenverfolgung hätte mehr gemacht werden können, wenn nicht Ella dauernd dazwischentreten würde. Die Geschichte um Isabelles Leben, ihre Ausweglosigkeit und die Bedrohung, der sie tagtäglich gegenübersteht, ist fesselnd genug, um ein Buch zu füllen; die Kapitel um Ella verlieren daher zwangsläufig an Potenzial.
Durch diesen krassen Gegensatz bleibt der Leser am Ende ratlos zurück und weiß nicht, was er von dem Buch halten soll. Wenn es nur von Isabelle gehandelt hätte, hätte es fast die Höchstwertung verdient, nur Ella hätte für die schlechtmöglichste Bewertung gesorgt. So, mit diesem Mischmasch aus beidem, ist jede Wertung ungerechtfertigt, da sie nicht zeigen kann, wie groß die Qualitätsunterschiede zwischen den beiden Handlungssträngen sind.