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Atrus, ein junger Gildenmann, arbeitet an einer Expedition mit, bei der ein Verbindungstunnel zwischen dem unterirdischen Reich der Dni und der Oberfläche geschaffen werden soll. Die Dni leben seit vielen Jahrtausenden in diesen riesigen Höhlen; ein Kontakt nach oben war bisher vermieden worden. Die Wesen, die auf der Oberfläche lebten, seien zu keiner Moral fähig, heißt es. Atrus selbst ist vor allem neugierig.
Während die Gruppe den Stollen langsam vorantreibt, wird Atrus von einem alten Schulkameraden zweimal positiv überrascht. Dieser Veovis ist der Sohn eines mächtigen Dni. In der Schule war Veovis gegenüber Atrus besonders grausam, jetzt aber entschuldigt er sich mit einem kostbaren Geschenk und würdigt die Leistungen des jungen Gildenmannes. Als sie sich treffen, schließen sie Freundschaft. Kurz bevor die Expedition einen Schacht an die Oberfläche anlegt, erschüttern zwei große Beben den Fels. Der Schacht reißt, mehrere Dni werden getötet, und in letzter Sekunde kann Atrus Veovis vor dem Tod retten. Der Schacht wird versiegelt und eine weitere Expedition an die Oberfläche abgelehnt.
Viele Jahre später nehmen die junge Frau Anna und ihr Vater Vermessungen in einem Wüstengebiet vor. Dabei entdecken sie eine seltsame Höhle. Als der Vater, der seit langem krank ist, stirbt, will Anna nach Europa zurückreisen. Bei einer letzten Erkundung der Höhle trifft sie, wie sie meint, auf die Überreste einer alten, technisch hoch entwickelten Zivilisation. Anna wird von den Dni entdeckt, als sie sich tiefer in den alten, zerbrochenen Schacht hinabwagt, und gefangen gesetzt. Immer noch halten die meisten Dni sie für ein wildes, unmoralisches Tier. Atrus dagegen hat, wie einige andere, seine Zweifel. Bei einer Anhörung vor dem Rat der Dni wird schließlich Anna ein begrenztes Recht auf Aufenthalt bei den Dni gewährt. Ihr schärfster Gegner ist dabei Veovis, während Atrus mehr und mehr von der jungen Frau beeindruckt ist.
In dieser Situation bricht eine für die Dni ungewöhnliche Situation herein: zwei junge Gildenmänner verschwinden, und alles weist darauf hin, dass sie ermordet wurden. Atrus wird beauftragt, diese Morde aufzuklären, und mehr und mehr scheinen die Fäden bei Veovis zusammenzulaufen. Veovis wird verhaftet, verurteilt und ins Gefängnis gesperrt. Doch bei Atrus regen sich die Zweifel: was, wenn Veovis unschuldig war und das Opfer einer Intrige? Und was hat der geheimnisvolle Philosoph im Sinn, der sowohl mit Veovis als auch mit Atrus Kontakt aufgenommen hatte, kurz nachdem die beiden Gildenmänner verschwunden sind? Bald merkt Atrus, dass von der Beantwortung dieser Fragen das ganze Schicksal der Dni abhängt und auch Anna spielt dabei eine wichtigere Rolle, als sie selber weiß.
Dieses Buch ist mit sehr ruhiger Hand geschrieben und doch habe ich oben kaum mehr als die Hälfte des Geschehens zusammengefasst. Die beiden Autoren schreiben diesen Mix aus Fantasy, Science-Fiction, politischem Thriller und Liebesgeschichte mit großer Gelassenheit, psychologischem Gespür und einer dichten Spannung, die ohne Effekthascherei daherkommt. Sehr kunstvoll setzen sie dabei kurze Erzählabschnitte und häufige Perspektivenwechsel ein, um die Geschichte voranzutreiben.
Sicher: Wer auf viel Feuerwerk und poppige Handlung steht, der wird in diesem Buch arg enttäuscht; es gibt keine riesigen Schlachten, keine klassischen Fantasyfiguren. Daher ist das Buch sehr viel eher den großen Staatsentwürfen der klassischen Science-fiction nahe, als den wilden Abenteuern in fremden Welten.
Trotzdem ist es das seit langem beste Buch, das ich aus dem Bereich der Fantasy gelesen habe. Der Schreibstil ist bildhaft und präzise, die Handlung dicht aneinander gedrängt, ohne gehetzt zu wirken, und hinter allem scheint ein großes, ethisches Thema auf, ohne dass es einem aufgedrängt wird: die Frage von Freundschaft und Rassismus.
Beide Autoren haben an den Computerspielen zu Myst mitgearbeitet und gehören zu deren Autorengemeinde. Das Buch ist übrigens nicht, wie man in manchen Rezensionen lesen kann, der Nachfolger, sondern der Vorgänger von Myth - Das Buch Atrus. Beide Bücher lassen sich unabhängig voneinander lesen und führen je gesondert in die Welt ein.
Zwei Schwachstellen allerdings weist das Buch auf: zum einen gibt es einige Zeichnungen in dem Buch, oft kleine Details von Werkzeugen, deren Sinn mit nicht klar wurde. Es sind hübsche Zeichnungen, ohne Frage, aber weder drücken sie für sich selbst noch für den Text etwas aus. Sie wiederholen nur, was die beiden Autoren ohnehin gut genug beschrieben haben.
Die andere Schwachstelle sind gelegentliche englische Satzstellungen, die unkorrigiert im Deutschen stehen. Diese stören den Lesefluss. Die Übersetzung, die es doch über weite Strecken schafft, die Sätze an den Fluss des Geschehens anzupassen, und die Wortwahl präzise auf die Bilder einzupassen, stolpert hier.
Insgesamt aber sind beide Schwachstellen, Bilder und die seltenen falschen Satzstellungen, nicht wirklich störend. Der Rest des Buches jedenfalls ist großartig.