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Welt der Geschichten ist ein neues Anthologie-Projekt, in welchem Geschichten aus den Genres Fantasy, Science-Fiction, Horror und Thriller erscheinen sollen. Die Nummer Eins hat knapp über 250 Seiten und erscheint im Buchformat, die Herausgeber gehen also von Anfang an den Weg, den NOCTURNO erst vor kurzem eingeschlagen hat. Dessen Herausgeber Markus Kastenholz hat übrigens Hilfestellung gegeben und ist auch mit einer eigenen Geschichte vertreten.
Anthologien haben gewisse Besonderheiten, dies ist auch bei Welt der Geschichten nicht anders. Die Geschichten sind kurz bis sehr kurz und leben oft hauptsächlich von der Pointe. Diese genauer zu beschreiben würde die Gefahr bergen, zu viel zu verraten. Dazu kommt, dass Stil, Genre und Qualität der Geschichten oft sehr unterschiedlich sind, sodass meistens dazu führt, dass jede Anthologie Geschichten aufweist, die dem Leser gefallen und andere, die ihm nicht gefallen. Dies ist auch bei der vorliegenden Anthologie nicht anders.
Insgesamt gesehen ist Welt der Geschichten für eine Nummer Eins schon ziemlich gut gelungen. Störend sind nur diverse Rechtschreib- und Satzfehler, da kann man sich sicherlich noch verbessern. Einigen Geschichten hätten ein Lektorat verdient beziehungsweise nötig gehabt. Die Illustrationen sind Geschmackssache, dieser Computerstil gefällt dem Rezensenten nun einmal nur selten. Etwas unprofessionell erscheint die Werbung für kaufbare Ausdrucke der Illustrationen: Anstatt zu sagen, die gibt es zu kaufen, fragen die Herausgeber, wie man diese Idee (kaufbare Ausdrucke) findet.
Thematisch ist die Bandbreite der Geschichte ziemlich weit, qualitativ reicht sie von zwei bis vier Sternen. Letzteres haben fünf der siebzehn Geschichten verdient. DER BOCK von Markus Kastenholz ist gewohnt ziemlich derbe, das Thema ist Vergewaltigung und Rache. Ebenfalls ein "Gut" gibt es für SPYRIDAKIS von Marc Stein, in der es um einen eigentlich nicht wirklich neuen Plot geht. Eine Gruppe von Para-Wissenschaftlern untersucht ein angebliches Geisterhaus, eine "ungläubige" Notarin ist als Zeugin mit vor Ort. Anders als gewohnt gibt es hier lange nur rationale Erklärungen für solche Vorgänge (sehr interessant, scheint gut recherchiert zu sein), erst später wird es dann doch phantastisch. Leider schwächelt das Ende etwas. Christel Schelja greift in RABENFEDERN auf die keltischen Gesellschaften und Mythologien zurück, geschickt verarbeitet sie das Thema Übergang des alten zum neuen Glauben. Nicht unüblich bei Scheja ist, dass die Protagonistin eine letztlich starke Frau ist, was der Geschichte wieder ihr eigenes Flair gibt. Ein sehr ungewöhnliches Zombie-Endzeit-Western-Setting weist UNTERWEGS NACH CLEARWATER von Markus Böhme auf. Von Bernd Rothe, der auch Mit-Herausgeber ist, stammt WAHR ODER UNWAHR, hier gibt es eine humoristische und einfallsreiche Variante des Rattenfängers von Hameln. Ein gewagtes Setting weist WIDERSTAND von Thorsten Scheib auf, in dem Nazis neben Werwölfen eine Rolle spielen. Blutig, aber gelungen.
Durchschnittliches überwiegt leider, immerhin kann man neun Geschichten dort einordnen. H. H. bietet eine derbe neue Variante des Themas "lebendig begraben". Charlotte Engmann bringt eine Hexengeschichte mit schwachem Ende. Ernst Kautz bietet einen Krimi-Plot, der immerhin recht durchdacht wirkt. Die Ortsbeschreibungen illustrieren leider nicht, sondern zerstören den Spannungsbogen und klingen nach "Autor war auf der Insel und möchte seine Ortskenntnisse mit dem Leser teilen". Manfred Lafrentz hat eine gute Idee durchschnittlich umgesetzt, auch hier schwächelt das Ende. Michael Preissl bietet eher Altbekanntes: Mann erbt Haus und wird beeinflusst, Familie verlässt ihn etc. Bei Marc Wiswede geht eine Familie im Wald verloren und der Vater/Mann sucht jahrelang nach ihnen. Wieder einmal ist das Ende nicht wirklich gelungen. Duncan Demerodt hat eine humoristische Fantasygeschichte abgeliefert, die an den Humor von Pratchett erinnert. Leider schwankt der Autor zwischen wirklich guten und lustigen Ideen und absoluten Niveau-und Klischee-Tiefpunkten (Stichwort: Schwuler Elf). Astrid Pfister, wie Rothe ebenfalls Herausgeber, hat eine ganz nette Idee aufgegriffen, dass Ende ist aber zu profan.
Schwaches hat Timo Bader abgeliefert, schon erstaunlich für jemanden, der ja auch schon vorher Geschichten und gar Romane veröffentlicht hat. Wie auch Roth greift er das Rattenfänger-Thema auf, leider misslungen. Er will zu viel und kann zu wenig. Vor allem hat er bis auf ein paar abgedrehte Szenen dem eigentlichen Thema nichts Neues hinzu zu fügen. Eher Richtung einen Punkt geht die Geschichte von Monique Lhoir. Hier wird der Leser mit einer nur rudimentär durchdachten Endzeitvision gequält, die Handlung ist zu einfach und schlecht eingepasst. Dass kurze Geschichten mitten drin anfangen und oft ein nur offenes Ende haben ist eine Sache. Derart mangelhaft Durchdachtes ist trotzdem nicht akzeptabel. So oder so eine schwache Story.
Aus der Bewertung herausgefallen ist "Die letzten Tage von Sodom", da diese stilistisch absolute Geschmackssache ist. Dem Rezensenten gefällt diese Geschichte gar nicht, aber immerhin ist es mal was vollkommen anderes. Mögen die Literaturprofis entscheiden
Fazit: Ein Projekt, das Beachtung verdient und dessen Nummer Eins schon eine gute Leistung ist. Das Gute überwiegt das Schlechte, insgesamt jedoch überwiegt der Durchschnitt. Die Gesamtwertung lautet daher "Durchschnitt", so bleibt auch noch Motivation zur Verbesserung für das Herausgeber-Duo. Durchgängiges Korrektorat, eventuell bessere Story-Auswahl, gerne auch zusätzliche Illustratoren mit anderem Stil.