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 Nocturno, Band 6: Nocturno Nr. 6


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


NOCTURNO 6 enthält Stories diverser bekannterer und unbekannterer Autoren. Dazu kommen Illustrationen und Graphiken von mehreren Künstlern. Leserbriefe gibt es auch, sowie Rezensionen von Carsten Kuhr, Jörg Bartscher-Kleudgen, Thomas Hofmann, Michael Schmitt, Constanze von Kolck, Markus Kastenholz und Uwe Voehl.

Einige Autoren sind schon nicht mehr ganz unbekannt, haben sie doch schon Kurzgeschichten oder Romane veröffentlicht. Andere Namen sind zumindest dem Rezensenten völlig unbekannt. Anthologien haben gewisse Besonderheiten, einige davon treffen auch auf NOCTURNO 6 zu. Die Geschichten sind mehr oder weniger kurz, diese zu detailliert zu beschreiben birgt die Gefahr, zu viel zu verraten. Dazu kommt, dass Stil, Genre und Qualität der Geschichten oft sehr unterschiedlich sind, was meistens dazu führt, dass jede Anthologie Geschichten aufweist, die dem Leser gefallen und andere, die ihm nicht gefallen. Dies ist wie gesagt auch bei der vorliegenden Anthologie nicht anders.

Den Anfang macht Malte S. Sembten mit MASKENHANDLUNGEN. Die Geschichte, deren Blutrünstigkeit von alttestamentarischen Ausmaßen ist, handelt von einem Kinderschänder. Sie pendelt zwischen drei bist vier Sternen.

Linda Budinger serviert mit VERLOREN eine sehr kurze und einfallsreiche Vampirgeschichte, die kurz unter der Bestnote anzusiedeln ist. Dass es sich um Vampire dreht, darf ruhig verraten werden, da die Auflösung hier wirklich einfallsreich ist.

Ebenfalls kurz unter der Bestnote ist DER RING ZUM GLÜCK zu finden. Astrid Pfister thematisiert hier sehr geschickt die Themen Verlust und Trauer und fügt diesen eine leicht phantastische Note hinzu.

Herausgeber Markus Kastenholz ist mit FENRIR vertreten, einer derben, aber nicht wirklich blutrünstigen Geschichte. Über das Frauenbild in Kastenholz Geschichten könnte man sich schon Gedanken machen, die weiblichen Leser werden es wohl nicht zu schätzen wissen. Insgesamt nur durchschnittlich.

Vier Sterne verdient hat DIE BILDER DER IRREN von Sebastian Mander. Nicht wirklich innovativ, aber was ist noch nicht aufgeschrieben worden? Die Geschichte hat einen lovecraftaesken Touch, die Tentakel am Ende sind dann aber eher unnötig und wirken aufgesetzt. Wie gesagt, die Geschichte gewinnt nicht den Innovationspreis, ist aber gut zu lesen.

Kommen wir zum ersten Ausreißer der Anthologie: TEENAGE WITCHES KÖNNEN GRAUSAM SEIN von Michael Tillmann. Die Geschichte handelt, der intelligente Leser wird es natürlich schon erraten haben, über Teenie-Pseudo-Hexen. Da der Rezensent die Handlung schon erfolgreich verdrängt hat, kann er nicht mehr dazu sagen. Nur zur Bewertung, die kommt im Fazit nur knapp auf zwei Sterne.

RINALDINIS HÄNDE von Eddie M. Angerhuber beschreibt einen sehr obskuren Heiler-Propheten mit einer seltsamen Lehre. Letztlich dann doch nur Durchschnitt, auch das Ende ist nicht wirklich neu.

Eine sehr ungewisse Endzeit bildet den Hintergrund von DAS MÄDCHEN MIT DER SPINNE. Es geht um ein paar Kinder, die, mit seltsamen Kräften ausgestattet, in einer Art Gefängnis-Heim wohnen. Dann kommt ein weiteres Mädchen ins Spiel, angeblich ist es ein Alien. Ab da geht es rasant zur Sache. Aufgrund des Setting und der Figuren dafür vier Sterne.

Stefan F. Pinternagel liefert mit RUCKLIDIGU erneut eine skurril-humoristische Geschichte ab. Der Mann hat eindeutig einen besonderen Sinn für Humor und weiß diesen auch literarisch umzusetzen. Die Geschichte handelt von einem Mann, dessen Nachbarin über ihm unzählige Tauben füttert, welche wiederum den Balkon des Mannes vollkoten, um es mal gesittet aus zu drücken. Was folgt, ist aber kein normaler Nachbarschaftsstreit, sondern eine Ausgeburt von schwarzem Humor.

In das RISTORANTE MYSTICO entführt uns der begabte Autor Andreas Gruber. Es geht um einen Zigeuner-Koch-Killer mit mehr Herz als die Heilsarmee. Es sei nicht zu viel verraten, außer: Diese Geschichte lohnt sich. Sicherlich ist sie auch etwas derbe, weist aber so manche Feinheit auf und kratzt damit an der Bestnote.

Die Erlebnisse eines Grabräubers schildert Markus K. Korb in DER DIE MÜNZEN UNTER DEN ZUNGEN DER TOTEN STIEHLT. Korb hat ja ein Faible für obskure und lange Titel, aber hier schildert der Titel leider schon fast den ganzen Plot. Da auch das Ende etwas wacklig ist, daher nur drei Sterne.

Eine etwas wirre Handlung bietet IM FALSCHEN FILM von Thomas Wawerka. Es scheint um eine Art Snuff-Movie zu gehen, der Rezensent war leider nicht in der Lage, der Handlung gänzlich zu folgen. Insgesamt gesehen maximal drei Sterne.

Schwach startet MR. COCHRANS WUNDERBARE WELT, gewinnt dann aber an Fahrt und verdient insgesamt vier Sterne. Ein wenig an den Mann erinnernd, der seinen Tisch Stuhl nennt, hat der titelgebende Herr allen seinen Elektrogeräten einen Namen gegeben. Da wir in einer unbestimmten Zukunft sind, können viele davon sogar auf ihn hören. Interessante Idee, da die Handlung irgendwann abdreht und Aliens ins Spiel kommen.

DIE HÜTTE IM WALD von Charlotte Engmann spielt im Krieg zwischen Frankreich und Russland und gibt einem bestimmten Genre schon einen gewissen neuen Drive. Aber es soll ja nicht zuviel verraten werden, daher nur die Wertung: Vier Sterne.

DIE RUNE NACHT von Andrea Tillmanns greift ebenfalls ein altbekanntes Thema auf und gibt diesem zum Teil ein neues Umfeld. Die Figuren sind realistisch, das Setting etwas anders, seien wir großzügig: Ebenfalls wie bei Frau Engmann vier Sterne.

Derbe und blutig geht es bei C J WALKIN zugange. Letztlich auch hier nichts Neues, Werwölfe sind ja nun einmal nicht gerade eine neue Erfindung, aber auch hier retten das Setting und die Schreibe (Stichwort: makaber-blutig) die Geschichte zu der Bewertung mit vier Sternen.

Und nun kommen wir zum Höhepunkt der Anthologie, EIN GANZ NORMALER TAG von Boris Koch. Obwohl diese Bewertung sicherlich nicht jeder Leser teilen wird. Wenn man davon noch reden darf, dann haben wir es hier mit humoristisch-zynisch-einfallsreichem Social Beat zu tun. Beschrieben ein Tag im Leben eines jungen Mannes. Jawohl, fünf Sterne dafür, dass der Autor seine arme Mutti so schockt …

Nach dieser Krönung fällt der Absturz umso mehr auf, den SYMPHONIE DES TODES von Markus Saxer bildet. Thema ist Musik, die den Verstand kostet. Die mangelnde Originalität alleine ist aber gar nicht das Traurige, insgesamt fragt sich der Rezensent, warum manches so läuft wie es läuft. Gibt es da einen Sinn oder ist das nur dem Plot geschuldet? Schwach!

Bleiben wir bei negativer Kritik, kommen wir zu NOCTURNALIEN von Thomas Wagner. Diese Geschichte beziehungsweise den Stil werden wohl so manche Menschen als gelungene und einfallsreiche Literatur sehen. Der Rezensent musste sich aber zwingen, nach dem ersten Kapitel weiter zu lesen. Gut, glücklicherweise geht es nicht nur so weiter, aber Wagner bringt Metaphern und Adjektive, dass man sich nach Lovecraft sehnt und ganze Abschnitte überspringt. Kostet zwar Atmosphäre, aber so viel Wortkunst und Einfallsreichtum hält der Rezensent einfach nicht aus. Die eigentliche Handlung ist auch nur bedingt einfallsreich, es geht um ein Hotel, das den Verstand (oder mehr) kostet. Das Urteil des Rezensenten lautet: Schwach.

Den Abschluss bildet der Rezensionsbereich, der nicht nur, aber auch, Veröffentlichungen aus dem Hause NOCTURNO/ViriPriv beherbergt. Letztendlich durch die gute Auswahl der Bücher aktuell genug, und die Rezensionen zeigen meist ein hohes Niveau. Und die Hausprodukte werden auch nicht hochgejubelt.

Die Zeichnungen sind akzeptabel bis gut. Immerhin gibt es keinen peinlichen Ausfall wie in NOCTURNO 5, die meisten Illustrationen sind recht nett anzuschauen und auch das Cover ist gut. Der Stil von manchen Illustrationen gefällt dem Rezensenten nur bedingt, eine ist arg minimalistisch. Erschreckend unprofessionell sind die meisten Werbeanzeigen, aber dafür kann ja das Herausgeber-Duo nichts, und das hat auch nichts mit der Bewertung zu tun. Obwohl das wirklich teilweise so schlecht wirkt, dass es fast nach Absicht aus sieht …

Fazit:
Auch NOCTURNO 6 ist eine lohnenswerte Anschaffung, wenn auch schwache und durchschnittliche Geschichten vertreten sind. Aber dafür sind auch erfreulich viele gute Geschichten dabei und die Illustrationen sind für ein solches Projekt auf einem guten Niveau. Als Gesamtnote kommt zwar wieder nicht die Bestnote in Frage, aber guten Gewissens gibt es vier Sterne.

Immer gilt, dass Hefte wie NOCTURNO wichtig sind für die Einwicklung des literarischen Nachwuchses. Dass es da nicht nur Perlen gibt, versteht sich von selbst. Der Preis ist letztlich auch akzeptabel, besser auch mal eine abwechslungsreiche Anthologie mit eventuellen Neuentdeckungen und dafür ein durchschnittliches Taschenbuch weniger.


Bernd Wachsmann



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