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Die Stunde Null ist das zweite Buch der Tiamat-Reihe, die von Markus Kastenholz entworfen wurde. Wie der erste Band enthält sie zwei Geschichten, die an den ersten Band anknüpfen, ohne ihn vorauszusetzen. Die Fortsetzung wird von zwei Autoren bestritten: Markus Kastenholz und Antje Ippensen.
Kastenholz Geschichte "Die Stunde Null" beginnt drei Jahre, nachdem die Erde von Dämonen überrannt wurde und Tiamat sein despotisches Reich errichtet hat. Der Vampir Charon folgt einem Minotaurus, in dem er einen der Mörder seiner Geliebten zu erkennen meint, in eine Kneipe. Dort wird er Zeuge, wie sich eine Schwarzgardistin, eigentlich ergebene Diener der Dämonen, gegen diese wendet und mehrere von ihnen abschlachtet. Die vermeintliche Schwarzgardistin entpuppt sich als Rebecca, die von Erzengel Michael auserwählte Kämpferin. Durch sie nimmt Charon Kontakt zu einer Widerstandsgruppe auf, die tatsächlich ein Mittel gefunden hat, die Dämonen zu töten.
Mit "Eine schwarzblaue Substanz" führt uns Antje Ippensen durch gleich drei Geschichten, die erst am Ende ineinander greifen und deren Weiterführung in Band 3 der Tiamat-Reihe versprochen wird. Charon und Rebecca befinden sich auf der Suche nach der "schwarzblauen Substanz", die gegen die Dämonen helfen könnte. Durch einen Verrat wird ihr Vorhaben entdeckt und durch einen Hinterhalt müssen sie sich in einem alten Regierungsbunker verschanzen. - Sheana wird auf der Suche nach Wasser von einer feindlichen Sekte gefangen genommen. Nur durch das Eingreifen ihrer beiden tierischen Begleiter entkommt sie dem Tod durch Folter. Auf der Suche nach einem Heimweg stolpert sie durch eine Art magischer Grenze in ein anderes Land und wird dort erneut, diesmal von einer Sklavenjägerin, gefangen genommen. - Die dritte Geschichte beginnt mit Menoch, einem der Wächter aus der Plastikstadt Huol. Menoch ist verärgert und bedrückt, weil die obersten Befehlshaber ein Kind, das sich den Regeln der Stadt nicht anpassen wollte, in die tödliche Wüste geschickt hat. Er verlässt die Stadt und begibt sich auf die Suche nach dem Jungen. - Da die drei Handlungen erst am Ende zusammen kommen und in einem Folgeband fortgesetzt werden, möchte und kann ich wenig zu dem Ende sagen. Die Nachvollziehbarkeit fehlt hier noch, was aber kein Kritikpunkt sein kann, wenn die Geschichte nicht als Ganzes überschaubar ist.
Das Setting der Serie bietet viel auf: den Untergang der menschlichen Kultur und deren Versklavung, eine ganze Reihe recht origineller Monster, einen gestaltlosen, übermächtigen Herrscher, der stark an Sauron aus Tolkiens Herrn der Ringe erinnert, einen ehemaligen Herrscher über das Vampirreich, der von seiner eigenen Schwester geputscht wurde, und Engel, deren Wirken aber völlig unerkannt bleibt, außer, dass sie ein Mädchen, Rebecca, besonders gekennzeichnet haben. Insgesamt ist der Hintergrund etwas wirr.
Die wichtigere Frage ist natürlich, ob die Geschichten unterhaltsam sind.
Kastenholz Geschichte ist manieristisch, mit ermüdender Fäkaliensprache gefüllt, von vielen störenden Satzinversionen durchzogen und mit erzählerisch unnötigem Beiwerk. Insbesondere nerven die vielen Beschreibungen, in die sich der Erzähler rücksichtslos mit halb hämisch-denunzierenden, halb privat-ironischen Kommentaren einschiebt. Statt zu erzählen, bietet er allzu häufig einen Wust von abstrakten Begriffen auf. Ab und zu aber gelingt es Kastenholz dann doch, ordentlich zu erzählen, und es gibt sogar Dialogstellen, die nicht angestrengt und hölzern, sondern lebendig und charakterisierend wirken, eher eine Seltenheit in der deutschen Horrorliteratur. Diese Dialoge gehen jedoch leider unter. Fantasie, das muss man ihm lassen, hat er ja, aber er diszipliniert sie zu wenig auf Leserfreundlichkeit hin.
Ippensen zeigt sich in ihrer Geschichte ambitioniert. Die Einleitung kann man fast experimentell nennen - eine ironische Verfremdung des Horrorgenres -, jedoch bleibt sie auf nicht mal halbem Weg ihrer Möglichkeiten stehen. Hier hätte ich der Autorin mehr Mut gewünscht. Auch das Jonglieren mit drei verschiedenen Geschichten ist ehrgeizig. Neben einigen allzu rohen Passagen, die mich haben stolpern lassen, ist es vor allem die Masse, die Ippensen erzählen möchte, die ihre ganze Geschichte untergräbt. Von den drei Strängen muss sie zwei vollkommen neu einführen, mit eigenständigen Charakteren, eigenständigen Kulturen, neuen Wesen, anderer Magie, und hier hastet sie von Punkt zu Punkt, manchmal bis zur Unverständlichkeit der Zusammenhänge gehetzt. Dabei lässt die Autorin durchaus ahnen, dass sie erzählen kann, wenn sie mit ruhigerer Hand und mehr Zeit für ihre Protagonisten geschrieben hätte. Wie Kastenholz kommentiert bei Ippensen der Erzähler zu viel das Geschehen, und wie bei Kastenholz, wenn auch nicht in dem Maße, wird die Grammatik mit überraschend neuen Regeln ausgestattet. Stilistisch ist Ippensen aber weitaus eingängiger.
Zwischen den beiden Geschichten findet der Leser wieder zwei Illustrationen von Thomas Hofmann, mit einer lockeren, detailfreudigen Strichführung und von rohem Charme in der Komposition.
Fazit: Auf dem originellen, aber ausbaufähigen Hintergrund entfalten sich zwei recht unterschiedliche Geschichten. Kastenholz wirkt nicht mehr ganz so roh wie im ersten Band, aber zu zerrissen, um wirklich Spannung, Mitfiebern, Leselust aufkommen zu lassen. Durch seine Geschichte musste ich mich hindurchquälen. Ippensen schafft die Spannung besser, sollte sich aber wesentlich mehr Zeit lassen; gehetztes Erzählen ist eben noch kein spannendes Erzählen.
Den von Kastenholz erdachten Hintergrund der Geschichten bewerte ich mit zwei Sternen. Kastenholz bleibt deutlich im Bereich von einem Stern, Ippensen - für erzählerischen Mut, besseren Stil und einer gewissen Spannung - im Bereich von zwei Sternen.