"Mensch ärgere Dich nicht" ist seit über einhundert Jahren das Spiel für gemütliche, längere Spiele-Abende schlechthin. Und dabei ist es so einfach zu verstehen und so simpel zu spielen, wie kaum ein anderes Spiel.

In der Packung findet sich ein großer doppelseitiger Spielplan. Auf der einen Seite können sechs Spieler teilnehmen, auf der anderen vier Spieler. Diese Variante ist die fast immer ausgewählte, ist die einzig "klassische" Variante. Daneben findet sich ein Würfel und vier (respektive sechs) mal vier verschiedenfarbige Püppchen. Die Spielanleitung ist ebenso kurz wie einfach und nach zwei Minuten begriffen. Auch der Spielverlauf ist eigentlich einfach, unkompliziert und reinster Zufall. Ohne jede Taktik, ohne Strategie, ohne eine wie auch immer geartete Anforderung, muss der Spieler, der an der Reihe ist, einzig den Würfel werfen und eine seiner Püppchen dem Kreisweg um das Spielkreuz herum folgen. Gelangt er nach einer Runde zu den vier Kreisen in seiner Spielfarbe, die im inneren des Kreuzes abgebildet sind, rückt er seine Figur hinein und kann, darf und muss sie im weiteren Spielverlauf nicht mehr bewegen. Sie ist "zu Hause", im Ziel. Schafft es ein Spieler, alle vier Püppchen in dieses Haus zu ziehen, hat er gewonnen.

So leicht, wie einfach. Warum also "Mensch ärgere Dich nicht"?

Nun, die einzige Abweichung vom einfachen Spielverlauf ist das Gebot, andere Figuren, die "im Weg stehen" - sprich auf dem Feld stehen, das der Würfel grade als Zielfeld der eigenen Figur anvisiert -, herauszuwerfen. Ein Spieler hat umsonst einen mehr oder weniger weiten Weg zu seinem Haus zurückgelegt und muss dieses Püppchen wieder an seinen Ausgangspunkt, die in den Ecken des Spielfeld liegenden vier eigenen Farbkreise setzen und vor vorne beginnen.
Auch das klingt einfach und leicht nachzuvollziehen. Doch nach wenigen Minuten Spiel, ist dieses einfache und leichte "Püppchen bewegen" und "rauswerfen", einzig der zufällig fallenden Augenzahl eines Würfels folgend, zu einem kleinen Krieg ausgeartet. Mit Herzblut wird die eigene Figur verfolgt, mit Verve das fremde Püppchen "hinweggefegt". Es wird unerbittlich gekämpft, gehasst und gejubelt, gefrustet auf den Spielplan gestarrt und verwegen der eigene Sieg prognostiziert. Das Glück lässt einen Spieler strahlen, den Anderen fast weinen. Kinder werden zu Furien, Erwachsene zu Rächern, die Sprache droht einigen Spielern zu entgleisen und "Mensch ärgere Dich nicht" entpuppt sich als Hohn, als frommer Wunsch, als schnell vergessene Weisheit.
Es wird sich geärgert, keine Frage. Aber es macht auch einen solchen Spaß dieses Spiel mit seinen Kindern zu spielen, wie kaum ein anderes Spiel. Es ist unglaublich spannend, welche Charakterzüge dieses Spiel freilegt, wie verbissen, locker oder angestrengt mancher den Spielverlauf erträgt. Nicht vorherzusehen ist wer wie reagiert, wer gewinnt oder verliert. Der Zufall lässt Helden entstehen und kreiert Opfer. Unglaublich, wie gebannt auf einen kleinen Würfel gestarrt wird, wie ernst ein Spiel doch manchmal sein kann.

Es gibt kaum ein besseres Spiel als "Mensch ärgere Dich nicht". Allerdings sind die fast zwölf Euro für den Inhalt der großen Schachtel nicht günstig zu nennen. Um einen Kauf aber kommt man nicht herum, wenn man sich mal wieder so richtig freuen oder auch ärgern will - aber wer will das schon?

Übrigens: Dieses Spiel wurde zwar 1905 von Josef Schmidt entwickelt. Er variiert und vereinfacht aber ein Spiel, das bereits 400 Jahre zuvor aus Indien nach Europa kann: "Parchisi". Dieses uralte Spiel, dort von Maharadschas wie einfachsten Bauern gespielt, ist in den Grundzügen identisch mit dem heutigen "Mensch ärgere Dich nicht", nur komplexer, schwieriger und mit strategischen Elementen versehen. "Gewürfelt" wurde mit sechs Kaurimuscheln, deren zu zählende offene Seiten die zu verwendende Augenzahl ergaben.