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Wir befinden uns im Manchester der gar nicht so weit entfernten Zukunft. Der junge Scribble ist auf der Suche nach seiner Schwester Desdemona. Diese hat den Fehler begangen, sich mit Hilfe einer gelben Feder in das Vurt zu begeben. Vurt, das ist eine Art Traumwelt, eine Drogenwelt, in die man eintaucht, wenn man an einer Feder lutscht, denn das ist der moderne Weg, Drogen zu sich zu nehmen. Es gibt Federn in allen Farben. Viele sind nur ein harmloses Alltagsvergnügen. Man kommt von der Arbeit und begibt sich noch schnell auf eine kleine, verführerische Reise ins Vurt, um den Alltag zu vergessen und etwas wirklich Abgefahrenes zu erleben. Aber es gibt nicht nur die legalen Federn, sondern auch die richtig harte Dröhnung, den Gipfel von allem: die gelbe Feder.
Wer sich auf den Trip mit der gelben Feder einlässt, der kriegt etwas ganz Besonderes. Aber diese härteste aller Federn benutzt man nicht ohne Risiko. Man läuft Gefahr, sich im Vurt zu verlieren, den Weg zurück in die Realität nicht mehr zu finden. Und genau das ist Scribbles Schwester Desdemona passiert.
Doch Scribble liebt sie zu sehr, um sich einfach damit abzufinden, und so macht er sich auf die Suche nach ihr. Natürlich muss auch er dafür ins Vurt eintauchen. Mit der gelben Feder. Er ahnt noch nicht, welchen Preis er dafür zahlen muss. Denn wer sich im Vurt verliert, lässt in der realen Welt etwas zurück. Als Desdemona verschwunden ist, entstand ein ekelhaftes Wesen, das von Scribble einfach nur "Das Ding" genannt wird. Wer etwas aus dem Vurt isst, wird direkt dorthin katapultiert, darum ist "Das Ding" nicht sehr sicher in dieser Welt. Denn viele wollen es am liebsten einfach nur verzehren und so einen neuen Weg ins Vurt gehen. Aber Scribble hängt an ihm, schließlich ist es das, was er im Tausch für seine Schwester bekommen hat. Und wer weiß, wofür es noch gut sein könnte?
Und so beginnt ein unglaublicher Trip in eine bunte Drogenwelt. Sie ist bunt und grausam. Zugleich schillernd und völlig stumpf. Jeff Noon hat einen bizarren Roman geschaffen, der einen mitnimmt in ein absolut abgefahrenes Abenteuer. Auch die reale Welt in der Geschichte ist aberwitzig skurril und gerade zu Anfang kaum vollständig zu erfassen. Noon hat fantastische Wesen geschaffen, Mischwesen aus Hunden und Menschen, Robotern und Menschen, Hunden und Robotern. Man braucht eine Weile, um sich einen Überblick in dieser vielfältigen Welt zu verschaffen. Sobald das gelungen ist, kann man sich aber ganz in die Story fallen lassen und stellt irgendwann fest, dass man sich als Leser auch in einer Art Vurt befindet. In einer Welt voller Geheimnisse, voller Unmöglichkeiten.
Die Geschichte lässt seine Leser einfach nicht los, sondern zieht sie immer weiter in sich hinein. Die eigenartig anmutende Sprache, die diesem Zukunftsbild sehr gut entspricht, wird nach einer kurzen Einstiegsphase zur Selbstverständlichkeit und sorgt zusätzlich für den komplett neuen Eindruck dieses Noon-Manchesters.
Es sei gleich dazu gesagt: Das Buch ist nichts für schwache Nerven. Neben einigen doch recht ekligen Szenen gehört auch eine allgemeine unterschwellige, aber ständig sichtbare Grausamkeit zu dieser Geschichte, ganz abgesehen von dem Sog, den das Buch ausübt und der für einen ungeübten Leser vielleicht nicht ganz so gut wegzustecken ist. Wenn man sich allerdings nicht völlig auf das Buch einlässt, wird man seine Qualitäten mit Sicherheit übersehen.
Fazit: Cyberpunk vom Feinsten. Jeff Noon nimmt den Leser mit auf einen ganz eigenen Drogentrip, den Trip des Lesens. Ganz ohne Federn oder andere Drogen befindet man sich auf einer absolut abgedrehten Reise, nach der einem mit Sicherheit der Kopf schwirrt.
Hinweis: Leider ist das Buch schon lange vergriffen. Es bleibt aber die Hoffnung, dass dieser Klassiker irgendwann wieder in den Regalen auftaucht. Das Buch ist bei Amazon zwar gebraucht erhältlich, aber leider nur zu horrenden Phantasiepreisen. Es empfiehlt sich, entweder Geduld zu bewahren oder bei Verkaufsportalen die Augen offen zu halten.