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Konstanz im Jahre 1410: Eigentlich sollte Marie überglücklich sein, denn morgen wird sie heiraten. Sicher, sie kennt ihren Bräutigam nur flüchtig, aber er ist der Sohn eines Grafen und zudem ein Rechtsgelehrter: Ruppertus Splendidus. Diesen Namen würde Marie nicht so schnell vergessen, denn kaum hat ihr wohlhabender Vater den Hochzeitsvertrag mit Ruppertus unterschieben und ist der kostbare Wein, der für diesen Anlass bereitgestellt worden war, ausgetrunken, kündigt sich ein nächtlicher Bote an. Ein Unglücksbote, wie sich herausstellt, denn Utz Käffli, seines Zeichen Fuhrmann, behauptet nicht weniger, als dass er Marie beschlafen hat - und er soll nicht der Einzige gewesen sein, denn Linhard, der Schreiber ihres Vaters und der Büttel Hunold sollen auch ihren Spaß mit ihr gehabt haben. Ruppertus ist außer sich und verlangt, dass Marie sofort festgesetzt wird, immerhin hat ihr Vater im Ehevertrag versichert, dass sie noch unberührt in die Ehe gehen würde.
Danach ist es für Marie wie in einem Alptraum; aus dem Schlaf gerissen und mit ungeheuerlichen Beschuldigungen konfrontiert, wird sie im Nachthemd abgeführt und eingesperrt. Hofft sie in diesem Moment noch, dass die Gutachterin ihre Jungfräulichkeit bezeugen wird, kommen plötzlich Utz Käfflin, Linhard und der Büttel Hunold in ihre Zelle und vergewaltigen sie, um - laut ihnen - keinen Meineid schwören zu müssen. Und auch die Gutachterin am nächsten Morgen ist Marie keine Hilfe, denn sie ist eine verschämte Frau. Damit ist Maries Schicksal besiegelt: Sie wird der Hurerei überführt und, nachdem sie ausgepeitscht wurde, aus Konstanz verbannt und damit zum Leben einer Wanderhure gezwungen.
Doch wer steht hinter dem Ganzen? Wem kann Marie noch trauen und wird sie die Tortur überhaupt überleben?
Lug, Trug und Ungerechtigkeiten dominieren zu Anfang die Geschichte der Wanderhure Marie, der vom Schicksal übel mitgespielt wird und deren unbekannter Schänder das Gesetz auf seiner Seite hat. Kaum Chancen, je Gerechtigkeit zu erwirken, oder doch?
"Die Wanderhure" von Iny Lorentz zeichnet sich hier alleine dadurch aus, dass die Autorin sich einer Randgruppe zuwendet, die im Mittelalter eigentlich verpönt war. Aber gerade diese verstoßenen Frauen, die zu einem Leben als Berufshure gezwungen werden, waren sehr gefragt, vom einfachen Bauern bis hin zu den Adligen und dem Klerus, der ihnen zum Dank für ihren Dienst die "Freuden" der Hölle an den Leib wünschten. Und doch, wie Maries spätere Wegbegleiterin Hiltrud immer wieder zu sagen pflegt: "Wanderhuren sind nicht wehrlos"; und so führt der von Iny Lorentz initiierte Wille zum Durchhalten von Marie zu einem wirklich gelungenem Mittelalterroman, in dem am Ende doch Gerechtigkeit und Liebe siegen.
Auf jeden Fall ist die Geschichte sehr abwechslungsreich und sorgt so dafür, dass man sich ohne Mühe durch den doch beachtlichen Umfang von 697 Seiten ohne große Mühe oder Durststrecken hindurchschmökert.
Für alle, die nicht darauf warten können, nach "Die Wanderhure" die Fortsetzungen "Die Kastellanin" und "Die Rückkehr der Wanderhure" in die Hände zu bekommen, wartet noch eine kleine Lesprobe des letzteren Buches am Ende dieser Ausgabe.