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Monsieur Linh ist alt, alt und allein. Alle, die er kannte und die ihn kannten, sind tot - sie haben den Bombenangriff auf das kleine Dorf, das Monsieur Linhs Heimat war, nicht überlebt. Geblieben ist Monsieur Linh nur seine Enkelin Sang Diu, die gerade einmal sechs Wochen alt ist. Obgleich der alte Mann lieber in den Ruinen des Dorfes bleiben und dort sterben möchte, flieht er dem kleinen Mädchen zuliebe mit vielen anderen auf einem Boot in ein fernes Land. Als Flüchtling gelangt er in eine Stadt, eine Stadt, die nach nichts riecht und deren Namen er nicht aussprechen kann, wo es kalt und regnerisch ist. Monsieur Linh begreift wenig von dem, was er sieht - die vielen Gesichter sind ihm fremd, die Menschen rennen hektisch über die Bürgersteige, die Stadt ist riesig.
Auf einem seiner vorsichtigen Spaziergänge trifft er einen dicken, freundlichen, aber traurigen Mann: Monsieur Bark, der vor wenigen Monaten seine Frau verloren hat, und der gerne und viel redet. Obwohl Monsieur Linh kein einziges Wort versteht, lauscht er der traurigen Stimme gerne. Monsieur Bark versteht ebenfalls kein einziges Wort von dem, was Monsieur Linh sagt - wenn Monsieur Linh ihn mit "Tao-Lai", "Guten Tag", begrüßt, so hält Monsieur Bark dies für Monsieur Linhs Namen. Trotzdem entspinnt sich zwischen den beiden Männern eine zarte Freundschaft. Fast täglich treffen sie sich und der eine erzählt dem anderen über Glück, Liebe, Hoffnung und Trauer.
Die Schilderung der Flucht eines alten Mannes aus seiner vertrauten Umgebung in eine unbekannte und bedrohliche neue Welt geht unmittelbar ans Herz, zumal sich auch heute zahlreiche Menschen weltweit auf der Flucht vor Krieg, Hunger und Vertreibung befinden. Es ist eine traurige kleine Geschichte, die, obwohl sie Momente großer Schönheit und Kraft besitzt und von Trost und Freundschaft handelt, stets tragisch und melancholisch bleibt. Das namenlose Land, in dem Monsieur Linh gestrandet ist, wird uns hier durch seine Augen gesehen vorgeführt; es könnte genauso gut Deutschland sein. Je weiter die Geschichte voranschreitet, desto mehr dämmert es dem Zuhörer, was das tragische Geheimnis um Monsieur Linh ist; so dass man fast angstvoll auf die Aufdeckung dieses Geheimnisses und Monsieur Linhs Reaktion darauf wartet. Das Ende ist dann so bewegend und traurig, dass man tatsächlich weinen möchte.
Vorgetragen wird die ungekürzte Lesung des Romans, der nur 127 Seiten umfasst, von Christian Brückner, der unter anderem als deutsche Synchronstimme von Robert de Niro bekannt ist. Tatsächlich könnte Brückner wohl auch eine Gebrauchsanleitung oder einen Einkaufszettel vorlesen, und man würde trotzdem gebannt lauschen, so gut ist er. Auch die Lesung des Romans von Philippe Claudel meistert er gekonnt und gewohnt ausdrucksvoll und bedächtig. Der stille, zum Grübeln neigende Monsieur Linh passt gut zu Brückners Stimme; man kann sich ohne Probleme in die Gedankenwelt des alten, einsamen Mannes einfühlen. Die Lesung aus dem Verlag parlando umfasst drei CDs mit einer Laufzeit von 200 Minuten. Der deutsche Titel "Monsieur Linh und die Gabe der Hoffnung" ist weniger gelungen als der Originaltitel "La petite fille de Monsieur Linh", denn er weckt falsche Erwartungen und wirkt wie absichtlich angelehnt an Eric-Emmanuel Schmitts hinreißendes Werk "Monsieur Imbrahim und die Blumen des Koran".
"Monsieur Linh und die Gabe der Hoffnung" handelt von dem Leid, das der Krieg anrichtet, und dem Exil, in das Menschen schuldlos vertrieben werden. Gleichwohl handelt das Hörbuch auch von Trost und Freundschaft. Die Geschichte besitzt ein herzzerreißendes Ende, das man als aufmerksamer Zuhörer schon früh erahnt und fürchtet. Obgleich es sich um ein äußerst gelungenes Hörbuch handelt, ist der Verkaufspreis von knapp 25 Euro für drei CDs im Pappcover etwas zu hoch.