"Man kann nicht sagen, dass die ’Weimarer Republik’ zu den in Publizistik und Wissenschaft, ja in den Alltagsdiskussionen der Politik allzu wenig behandelten Realitäten gehört", schreibt der Autor eingangs. Das ist richtig, doch die seriösen Veröffentlichungen zu diesem Thema unterscheiden sich zumeist durch den Blickwinkel, aus dem sie die schicksalhaften Jahre zwischen Weltkriegsende und Hitler untersuchen, und ihren jeweiligen Schwerpunkt.
Ernst Nolte geht es vor allem um die Betrachtung der Parteien und der Ideologien, die einander zum Schaden der Republik unversöhnlich gegenüberstanden. Einen erheblichen Einfluss auf Deutschland hatte die Oktoberrevolution: Sie stärkte die extreme Linke und ließ in den anderen Bevölkerungsgruppen und Parteien tiefe Ängste aufkommen, die manche Ausprägungen der zunächst ohnehin diffusen Rechten zur Folge hatten.
Das Buch enthält eine chronologisch gegliederte Darstellung der Geschichte der Weimarer Republik, die sich durch eine sehr gründliche Einbeziehung der politischen Strömungen auszeichnet, insbesondere jener am linken und rechten Rand, aber in angemessenem Rahmen auch der "Mittelparteien", sodass viele der scheinbar sprunghaften Ereignisse nachvollziehbarer werden.
Im sich anschließenden Teil "Engagierte Reflexion" analysiert Nolte die Elemente, die wesentlichen Einfluss auf das Scheitern der Republik hatten, darunter die Kriegsschuldfrage, die die Intellektuellen spaltete, und die politisch-ideologischen Gruppierungen: Linke, Rechte, Mitte. Wie bedeutsam eine solche Untersuchung ist, sei am Beispiel der SPD kurz umrissen, die letztlich vor allem daran scheiterte, dass sie sich einerseits von den Kommunisten zu ihrer Linken, andererseits aber vom bürgerlichen Lager abgrenzen musste und so auf einen fatalen Schlingerkurs geriet. - Nolte stellt zudem das "Ringen um die Geschichte der Weimarer Republik" anhand mehrerer bekannter Bücher zum Thema vor. (Eines darunter, von Horst Möller verfasst, wurde auf diesem Portal bereits rezensiert.) Die Schlussbetrachtung schließlich stellt die gern übersehenen Leistungen der Weimarer Republik heraus, vor allem auf dem wirtschaftlichen und dem sozialen Sektor, die angesichts der Ausgangslage wirklich Respekt und Erstaunen verdienen, aber auch ihre fatale Schwäche als "ungefestigte Demokratie zwischen Lenin und Hitler", hervorgegangen aus einer Revolution, die den Einen nicht weit genug, für die Anderen jedoch in eine völlig falsche Richtung ging.
Bemerkenswert ist zudem der abschließende "bibliographische Essay über politische Broschürenliteratur der Weimarer Republik", der wertvolle Interpretationshilfen zu zeitgenössischen Quellen liefert.

Der Autor verzichtet darauf, die in anderen Büchern zur Weimarer Republik oder auch in Politikerbiografien gern detailliert beschriebenen Ränkespiele etwa beim Putsch gegen die preußische Regierung unter von Papen oder bei dessen Sturz durch von Schleicher minutiös nachzuvollziehen; hier setzt er voraus, dass der Leser mit den politischen Ereignissen in der Weimarer Republik grundsätzlich vertraut ist. Ihm geht es primär darum, das unheilvolle Wirken der destruktiven Kräfte in der Republik zu betrachten und zu untersuchen, wie und warum sie sich in dieser Weise aufbauen und verstärken konnten. Die, wie der Untertitel es kurz und treffend bezeichnet, zwischen Lenin und Hitler aufgeriebenen demokratischen Parteien mit ihren zunehmend verzweifelten und im Rückblick unklugen Schachzügen werden ebenfalls hinsichtlich ihrer Rollen in der Weimarer Republik analysiert. In diesem Zusammenhang stellt Nolte auch zahlreiche richtungsweisende oder anderweitig bedeutsame Persönlichkeiten aus allen Bereichen des politisch-ideologischen Spektrums exemplarisch vor.
Sehr interessant ist hierbei die Einbeziehung der Einflüsse aus dem Ausland, wobei vor allem Sowjetrussland, aber auch Frankreich und England überragende Rollen spielen, die in der Sachliteratur oft zu wenig Erwähnung finden. Dafür untersucht Nolte manche binnenpolitische Faktoren nicht oder nur am Rande, die durchaus bedeutsam sind und in anderen Büchern eher Eingang finden, so zum Beispiel die zum Teil sehr heterogene Verteilung der Wähler der unterschiedlichen Parteien im Reich.
Trotz des sehr vielschichtigen Inhalts und der Faktendichte ist das Buch auch für Laien gut verständlich verfasst, wozu auch der angenehme, unkomplizierte Stil beiträgt.
Von Ernst Noltes Ruf als "umstrittenem" Autor sollte man sich nicht abschrecken lassen: Nolte beweist auch mit diesem Buch, dass er ein ausgezeichneter Wissenschaftler ist, der anhand der vorliegenden Quellen und nachprüfbaren Fakten logisch einwandfrei und nachvollziehbar argumentiert. Das Buch füllt eine oder sogar mehrere Lücken beim Verständnis der fatalen Entwicklung, die schließlich zu Hitler führte, aber zuweilen durchaus die Möglichkeit gehabt hätte, Lenin anzusteuern.