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Dieses Buch ist das dritte Buch der mittlerweile bereits als Bestsellerautorin bezeichneten Karin Slaughter und erschien als Hörbuch mit gekürzter Lesung.
Die Pathologin Sara Linton fährt mit ihrer hochschwangeren Schwester Tess zum Schauplatz eines offensichtlichen Studentenselbstmordes. Während Sara sich die Leiche besieht, geht Tess in den Wald, um sich zu erleichtern, doch kommt sie nicht zurück. Sara sucht nach ihr und findet ihre Schwester schließlich niedergeschlagen und blutend mit einem Messer im Bauch. Man bringt Tess ins Krankenhaus, doch ihr ungeborenes Kind ist nicht zu retten. Geplagt von Schuldgefühlen ist Sara nur zu gern bereit, der Bitte ihrer Schwester am Krankenbett nachzukommen: den Täter zu finden.
Zusammen mit ihrem Exmann Jeffrey versucht Sara nicht nur, den Angreifer ihrer Schwester zu finden, sondern auch herauszufinden, ob der tote Student seinem Leben tatsächlich selbst ein Ende setzte oder von der Brücke gestoßen wurde.
Als es mehr Tote aus dem Bereich des Colleges gibt, verdichtet sich das Gefühl, es hier mit Mord zu tun zu haben, zumal die meisten Toten scheinbar Suizid begingen.
Mit dieser Richtung der Ermittlung rückt aber auch die Ex-Polizistin Lena immer weiter in den Verdacht ...
Tatsächlich beginnt die Geschichte mit den Protagonisten bereits in dem Roman "Belladonna" und wird auch in "Vergiss mein nicht" fortgesetzt. Eine Kenntnis der vorherigen Bücher mag hilfreich sein, ist aber nicht notwendig, da dieses Werk völlig allein stehen kann und vorangegangene Ereignisse teils sogar penetrant wiederholt erwähnt werden.
Im Groben gesehen verfügt "Dreh dich nicht um" über eine interessante Handlung gerade im Thriller-Genre, da die Ereignisse sich puzzleweise zusammenfügen, nicht jedoch sofort offensichtlich sind. Dies ist ein klarer Pluspunkt des Buches, leider allerdings auch der einzige, den es zu bieten hat.
Die Auflösung des Ganzen ist gelinde gesagt als hanebüchen zu bezeichnen.
Es gibt einen kleinen Haufen Charaktere, viele davon weiblich, eine echte Tiefe erreichen die Charaktere jedoch nicht. Zwar haben sie gemeinsam, fast alle zunächst als recht starke Persönlichkeiten aufzutreten, nur um den Leser oder Hörer dann damit zu überraschen, dass sie sämtlich in irgendeiner Form traumatisiert sind, vergewaltigt wurden, geschlagen werden und so weiter, aber das war es dann auch.
Einzig die Pathologin Sara Linton scheint aus dieser Gruppe ein wenig herauszustechen, aber das macht sie erfolgreich damit wett, dass sie sehr abhängig von der Meinung anderer, insbesondere ihres Exmannes, ist. Die scheinbar einzige Durchschnittsfrau des Buches dabei zu erwischen, wie sie ihn am Telefon anschmachtet, ihn zu sich bittet, sich von ihm duschen lässt oder ähnliches, tut wirklich weh.
Die Anzahl der Toten in diesem Buch ist die eine Sache und kann für eines aus dem Krimigenre durchaus notwendig sein, nicht plausibel zu erklären ist aber die Art und Weise der Gewaltdarstellung. Derart explizite Beschreibungen von den Opfern und ihren Wunden sind absolut unnötig und gehören wenn, dann wohl mehr ins Splattergenre.
Positiv zu bemerken ist sicherlich, dass die meisten medizinischen Beschreibungen und Erklärungen gut recherchiert wurden, allerdings scheinen einige wenige dafür umso mehr an den Haaren herbeigezogen zu sein.
Auffallend ist zudem, dass Karin Slaughter viele Fäden aufnimmt, diese aber ebenso gern auch wieder fallen lässt. Besonders bei den Charakterdarstellungen und einzelnen Ermittlungssträngen ist dies zu bemerken, was relativ schnell zu dem Verdacht führt, dass sie ihren eigenen Ideen nicht mehr sinnvoll folgen konnte und sie daher auslaufen ließ.
Auch die wiederholte Nutzung diverser Phrasen wie etwa "Es war keine Bitte, (sondern eine Forderung)" wird nach kurzer Zeit extrem nervig.
Die gekürzte Lesung nimmt der Handlung des Buches sicherlich nichts. Zu keinem Zeitpunkt bekommt man das Gefühl, dass etwas ausgelassen wurde oder man der Handlung nicht mehr folgen könne, was für eine geschickte und damit positive Kürzung spricht.
Nicht sonderlich glücklich gewählt ist die Sprecherin Iris Böhm, deren zweite Lesung dieses Buch erst ist und die ansonsten eher aus dem TV-Bereich bekannt ist, wo sie 2004 auch den Deutschen Fernsehpreis als Kommissarin der Serie "Die Sitte" bekam. Völlig offensichtlich bedeuten TV-Erfahrung und eine Auszeichnung jedoch nicht, dass man auch als fähige Leserin von Hörbüchern eingesetzt werden kann.
Iris Böhm spricht zwar in angenehmem Tempo, mehr Gutes ist leider dazu aber nicht zu bemerken. Ihre Sprechweise ist ausgesprochen monoton und animiert nicht gerade zum Zuhören. Ihre Betonung ist nahezu nicht vorhanden bis hin zu Situationen, in denen momentweise nicht einmal mehr klar erkennbar ist, wessen wörtliche Rede sie im Dialog gerade vorliest. Trotz der massiv eingesetzten Emotionen im Buch klingen bei Frau Böhm alle Personen nahezu gleich und schon gar nicht emotional.
Immerhin schafft sie es, die einzelnen Szenen nicht derart falsch zu betonen, dass der Inhalt einen anderen Sinn bekommt und verfälscht wird. Ein Grund, sie als Sprecherin daher positiv zu bewerten, ist das sicherlich nicht.
Regelmäßige Konsumenten des Genres werden sich sicherlich auch dieses Buch zu Gemüte führen wollen und im Falle dessen, dass sie sich nicht von unverhältnismäßig expliziter Gewaltdarstellung oder einer Masse pseudopsychologischer Vergangenheitsbewältigung und ähnlichem abbringen lassen, mag das Buch auch nicht die schlechteste Wahl sein.
Allen anderen sei von diesem Werk allerdings abgeraten, gerade wenn man wenig Interesse daran hat, von einer Tabuthematisierung in die nächste zu schlittern.
In jedem Fall jedoch ist zu empfehlen, dieses Buch selbst zu lesen oder sich von jemandem aus dem Freundeskreis vorlesen zu lassen. Viel schlechter als Iris Böhm kann man nämlich nicht vorlesen.