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Es gibt jede Menge Schicksalsbücher und -romane und viele davon gehen wirklich an die Gefühle. Lea Saskia Laasner verbringt ihre gesamte Jugend in einer Sekte, in die sie mit den Eltern gerät. Nach acht, neun Jahren gelingt ihr die Flucht aus einer unmenschlichen Gesellschaft. Auch wenn der Titel ein wenig effektheischend wirkt, ist ein Buch gelungen, das offen geschrieben und spannend ist - und das nie extra auf die Tränendrüse drückt.
Lea ist die Tochter eines Architekten, wächst in geordneten Verhältnissen in der Schweiz auf und hat ein gutes Verhältnis zu ihrem Bruder und ihren Cousins. Ihre Mutter fühlt sich insgesamt unwohl und beginnt eine esoterische Lebenssinnsuche. Die führt zu einem Geisteswesen namens Ramtha, verkörpert von dem Medium Janet. Der schwache, nachgiebige Vater geht darauf ein, und plötzlich sind Lea und ihr Bruder Kai nicht mehr in der Schule und über einige Umwege auf dem Weg nach Belize in Zentralamerika. Sie leben in einer Art Großfamilie, verlieren ihre Eltern als Ansprechpartner und werden per Gehirnwäsche eingegliedert. Als Benno, der eigentliche Führer dazustößt, beginnt er eine ganz besondere Diktatur - eine Diktatur der Harmonie, mit der alle Mitglieder der Gemeinschaft auf Kurs gehalten werden.
Bald nimmt Benno Lea mit in sein Zimmer, bald entjungfert er die Dreizehnjährige und missbraucht sie die nächsten Jahre praktisch jeden Tag. Dafür erhält sie so etwas wie eine privilegierte Stellung. In Belize baut die Gemeinschaft eine Farm neu auf, als scheinbar gemeinnützige Stiftung können junge Deutsche hier Zivildienst machen und es gibt Spenden. Doch Lea leidet unter ihrem Schicksal, weiß nicht, warum es ihr schlecht geht und entwickelt eine Bulimie. Als sie diese besiegen will, wird sie dabei allein gelassen, ja sogar von Benno und Janet ausgelacht. Erst als sie zwanzig ist, emanzipiert sie sich langsam, hat eine Affäre mit einem jungen Einheimischen, trifft sich später mit einem Polizisten, der sie letztlich auch befreit. Wie sie mit der Situation fertig wird, wie sie dem ganzen Sumpf entkommt und letztlich zurück in die Schweiz zieht, macht einigen anderen der Großfamilie Mut, und sowohl ihr Bruder als auch ihr Vater entfliehen selbst der Sekte.
Das ist schon überraschend reflektiert und kraftvoll, wie Lea Saskia Laasner ihre verlorene Jugend beschreibt. Eine gute Sprache, nicht effektheischend, und eine Geschichte, die einem eben auch ohne künstliche Elemente die Tränen in die Augen treibt. Aber vor allem, wie genau sie die Strukturen dieser Sekte auseinander nimmt, quasi sogar seziert, das ist sehr wohltuend. Da wird sicherlich auch der Ko-Autor Hugo Stamm geholfen haben, der ein ausgesprochener Sektenexperte ist, und Lea Saskia Laasner die Rückkehr in die "normale" Welt erleichtert hat. Das Buch ist eine Warnung vor Sekten, ihrem Absolutheitsanspruch, ihrer Entmenschlichung. Gute Sache, das!