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Die im Vorgängerroman "Narrenturm" begonnene Irrfahrt des Reinmar von Bielau geht weiter! Der junge Medicus aus Prag ist noch immer auf der Flucht vor seinen Häschern, die ihn quer durch das kriegsgeschüttelte Böhmen und Schlesien des 15. Jahrhunderts verfolgen. Üble Taten werden ihm zur Last gelegt: ein Anschlag auf königliche Steuereintreiber, Unzucht und allerlei magische Umtriebe. Aber Reinmar - in "Gottesstreiter" Reynevan genannt - ist nicht nur Gejagter, sondern auch Jäger. Er will den Mord an seinem Bruder rächen und den Fluch lösen, der über seinem Freund Samson liegt. So kehrt Reinmar nach Schlesien zurück - während dort beim berühmten Prager Fenstersturz die katholischen Ratsherren aus dem Fenster fliegen und die Hussiten Schlacht um Schlacht gegen die päpstlichen Kreuzzügler gewinnen.
Andrzej Sapkowski, Polens berühmtester Fantasyschriftsteller, legt mit "Gottesstreiter" den zweiten Teil seiner
Narrenturm-Trilogie vor, ein üppiges Historienpanorama zur Zeit der Hussitenkriege. Das unverbrauchte Szenario wusste bereits im ersten Teil zu überzeugen, vor allem dank Sapkowskis Dialogen, die einen großen Sprachwitz entfalten. In "Gottesstreiter" finden sich dabei sowohl die Stärken als auch die Mängel des Vorgängerromans wieder: die bunte, temporeiche Erzählung um Reinmar von Bielau reißt erneut mit, doch sie wird durch eine fette Schicht historischer Fakten gebremst. Sapkowski lässt eine Flut von Namen, geschichtlichen Ereignissen und Fakten auf den Leser einprasseln, oft in Form seitenlanger Aufzählungen. Das stört bei "Gottesstreiter" noch stärker als beim Vorgänger, da man inzwischen mit der geschilderten Epoche vertraut ist und sich deshalb arg belehrt vorkommt. Die Kunst, seine Recherchearbeit dezent in die Handlung einzuflechten, beherrscht Sapkowski nicht. Dafür ist er ein Meister, wenn es gilt, Fantasyelemente in die Handlung zu schmuggeln: Geister und Golems, Zauberer und sogar den berühmten Stein der Weisen. Diese Fantasymotive dominieren die Handlung jedoch nie und fügen sich hervorragend ein.
Sapkowski-Fans und Liebhaber historischer Stoffe, die gegen grelle Fantasy-Farbtupfer nichts einzuwenden haben, werden auch an "Gottesstreiter" ihre helle Freude haben. Alle anderen sollten sich dem Buch mit Vorsicht nähern. Eine Mischung aus Umberto Eco und Monty Python, die nicht jedem schmeckt und nicht jedem gefallen will ... die aber all jene, der sich in den Stoff hineinarbeiten, mit vielen köstlichen Szenen belohnt.
Ein kleiner Nachtrag bezüglich der Buchausgabe: Während Band 1 der Reihe als broschiertes Taschenbuch daherkam, hat sich dtv beim zweiten Band für ein halbfestes, abwaschbares Glanzcover entschieden. Die unterschiedliche Bindung macht sich im Buchregal leider gar nicht gut, und der neue Buchdeckel wirkt - obgleich stabiler - recht hässlich. Schade - hier wurde wieder einmal nicht an den ästhetischen Sinn der Buchsammler gedacht.