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 Unentschlossen


Cover
Gesamt ++---
Anspruch
Aufmachung
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Dwight Wilmerding ist 28 Jahre alt, lebt mit seinen drei Mitbewohnern in einer WG in Manhattan und leidet an chronischer Unentschlossenheit. Wird er vor banalste Entscheidungen gestellt, so kann es sein, dass er in eine totale geistige Lähmung verfällt. Dwight pflegt die Mittelmäßigkeit, die ihn auch vor wichtigen Entscheidungen bewahrt. Er hat Philosophie studiert, und seine Bindung mit der hübschen Veneetha ist eigentlich keine richtige Beziehung, obwohl die beiden miteinander schlafen. Im Bürojob bei dem Pharmakonzern Pfizer berät Dwight Kunden mit Softwareproblemen, zusammen mit anderen Mitarbeitern in ein schuhkarton-artig aufgeteiltes Großraumbüro eingepfercht. Da bietet ihm Mitbewohner und Medizinstudent Dan die Lösung für sein dringlichstes Problem an: ein Medikament, das Unentschlossenheit heilen soll. Begeistert erklärt sich Dwight bereits, das neuartige "Abulinix" als Versuchskaninchen zu testen. Allerdings soll das Wundermittel erst nach zwei Wochen erste Wirkung zeigen. Dwight lässt kurzerhand seine Freundin, seinen Job und seine WG zurück und reist spontan nach Ecuador, um eine alte Schulfreundin zu besuchen.

Benjamin Kunkels Debutroman "Unentschlossen" weckt beim Leser hohe Erwartungen, zum einen aufgrund des Hypes, der vor der Veröffentlichung um das Buch gemacht wurde, zum anderen durch Klappentext und Pressestimmen, die ein überaus witziges, intelligentes und neuartiges Lesevergnügen verheißen, sowie einen großartigen Entwicklungsroman. Leider erschließt sich das Buch nur äußerst schwer. Die Themen - ein junger Mann in der Midlife-Krisis, ein rätselhafter Selbstversuch mit einem neuen Arzneimittel, ein langweiliger Bürojob, eine spontane Reise nach Ecuador zu einer attraktiven Frau - hätten durchaus für witzigen, spannenden Stoff sorgen können. Den sucht man aber in dem 320 Seiten umfassenden Roman vergeblich. Die Unentschlossenheit der Hauptfigur ist nicht witzig, wird auch nicht durch komische Situationen verdeutlicht, sondern ist einfach nur banal. Dwights Entscheidungsprobleme sind teilweise lachhaft, werden aber vom Autor betont eloquent verpackt - dabei nervt dieser 28-jährige Protagonist in seiner von ihm gepflegten Midlife-Crisis und mit seinen wirren Gedanken einfach nur. Der Autor zeigt anstatt einer voranschreitenden Handlung meist Dwights inneres Universum, lässt den Leser bis ins kleinste Detail an seinen Gedanken teilhaben. Dwight philosophiert über alles und jedes, ergeht sich in langen Monologen und Gedankenspielen, was leider unzeremoniell als "Rumgesülze" bezeichnet werden muss. Fast verzweifelt hofft man nach einhundert Seiten, dass etwas passiert, würde sich inzwischen sogar über ein paar humoristische Seitenhiebe auf die Pharmabranche freuen, um das ganze aufzulockern.

Die Sprache, die Kunkel für den Roman gewählt hat, ist ein weiteres Problem. Beinahe jeder Satz ist bemüht außergewöhnlich, stellenweise experimentell mit Wortspielen und Wortschöpfungen, aber der Wortwitz kommt nicht spontan, sondern wirkt eher pseudointellektuell, so dass das Lesen zur Kraftanstrengung wird. Die Handlung schleicht voran, so dass man sich dabei ertappt, den Text nur noch zu überfliegen um herauszufinden, ob den endlich etwas passiert, was die Story vorantreibt. Kunkel verbaut sich selbst Handlungschancen: Kaum ist Dwight in Ecuador eingetroffen, um eine außergewöhnliche Frau zu treffen, so nimmt Kunkel sie auch schon wieder aus der Handlung heraus. In einer anderen Szene hat Dwight die Chance, eine E-Mail mit Firmengeheimnissen von Pfizer zu lesen. Er tut es nicht, der Eklat bleibt weitgehend aus, die Handlung plätschert weiter. Der Leser bleibt ratlos zurück und fragt sich, ob er etwas nicht verstanden hat? Schließlich haben die Feuilletons sich vor Begeisterung überschlagen, als der Roman erschien.

Leider ist "Unentschlossen" eine ziemliche Enttäuschung. Nichts sagend statt mitreißend, pseudo-eloquent statt präzise oder wenigstens komisch, dafür teilweise wirr und langatmig. Der Leser sollte nach den ersten zwanzig Seiten den Zugang zu Kunkels Stil und zu seiner Hauptfigur Dwight gefunden haben, sonst kann er das Buch eigentlich direkt wieder aus der Hand legen, denn eine Steigerung von Spannung oder Humor gibt es nicht. Die Krankheit, unter der Dwight leidet, gibt es übrigens wirklich: "Abulie" bezeichnet eine krankhafte Unentschlossenheit und Unfähigkeit, Entscheidungen zu treffen.

Christina Liebeck



Hardcover | Erschienen: 01. August 2006 | ISBN: 3827006805 | Originaltitel: Indecision | Preis: 19,90 Euro | 320 Seiten | Sprache: Deutsch

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