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Dass die Hexenverfolgungen kein Phänomen des Mittelalters, sondern der frühen Neuzeit waren, dürfte sich allmählich herumgesprochen haben. Denn im Mittelalter waren nicht Hexen, sondern Magier die meistgefürchteten Figuren - und zugleich eingebettet in eine Welt, die zwischen christlicher Endzeiterwartung, antiken und heidnischen, jüdischen und schamanistischen Magievorstellungen hin- und hergerissen war. Magie, das war finstere Wissenschaft, die Bewahrung antiker Erkenntnisse, spirituelle Bewußtwerdung naturwissenschaftlicher Kräfte, teils aber auch Gegenbewegung zur monotheistischen Religion, die sich - wenn auch langsam - in ganz Europa und im Nahen Osten ausbreitete.
Einen guten Überblick über die Magietraditionen des europäischen Mittelalters ermöglich das vorliegende Buch der Literaturwissenschaftlerin Christa Tuczay. Auf knapp vierhundert Seiten führt sie in die magische und mystische Welt des Mittelalters ein. Das polytheistische Erbe der Antike wird dabei ebenso behandelt wie christlich-magische Vorstellungen, die Verquickung von Offenbarungsreligion und schlichtem Heilzauber (etwa der Reliquienkult oder der florierende Hostienhandel) ebenso wie die orientalischen und jüdischen Einflüsse. Aber auch das heidnische Europa, die schamanistischen Traditionen Skandinaviens oder der keltische Druidenkult finden Erwähnung. Wichtigster Abschnitt freilich ist das Kapitel über Magie und Wissenschaft, die den Magier als Forscher vorstellt, der sein Geheimwissen durch Rituale verklärt. Und natürlich war Zauberei auch im Volks- und Brauchtum gang und gäbe, etwa die allgegenwärtigen Liebes- und Bindezauber ...
Christa Tuczay hat ein interessantes, gut zu lesendes Buch geschrieben, das einen guten Mittelweg zwischen wissenschaftlichem Ansatz und populärem Sachbuch findet. Sicher, die meisten Themen werden nur angeschnitten, und mit der wissenschaftlichen beziehungsweise historisch-kritischen Deutung der mittelalterlichen Magie hält sich Tuczay nicht lange auf. Zum Glück finden sich auf der gut ausgewählten Literaturliste viele Hinweise auf weiterführende Spezialliteratur. Als Einstieg ist "Magie und Magier im Mittelalter" auf jeden Fall gelungen, da es ein farbenprächtiges, gut recherchiertes Bild der mittelalterlichen Magie zeichnet. Vor allem die Breite der dargestellten Themen beeindruckt - und natürlich die vielen Verweise auf literarische Magievorstellungen, etwa die legendären Zauberer Klingsor und Merlin. Hier schimmert die Literaturwissenschaftlerin Tuczay durch, und dies tut der Darstellung insgesamt gut.
Alles in allem ein lesenswertes Buch, das zudem für einen unschlagbaren Preis als Hardcover-Ausgabe erhältlich ist. Auch wenn der Aufbau gelegentlich an Stringenz vermissen lässt und manche Passagen zu gerafft erscheinen, kann jeder, der sich für die Magie des Mittelalters interessiert, bedenkenlos zugreifen.