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Auch mehr als zweitausend Jahre nach seinem Tod fasziniert der römische Anwalt und Politiker Marcus Tullius Cicero Historiker, Juristen und Philosophen. Cicero gilt auch heute noch als bedeutendster Redner Roms, wenn nicht gar aller Zeiten. In seinem Roman "Imperium" beschreibt der britische Autor Robert Harris den Aufstieg Ciceros vom jungen Anwalt bis zu seiner Wahl zum Konsul im Jahr 63 vor Christus. Dabei lässt Harris nicht Cicero selbst sprechen, sondern er greift zurück auf seinen Sklaven und Privatsekretär Tiro, ein enger Vertrauter des großen Staatsmannes, der ihm trotz seiner Stellung freundschaftlich verbunden war. Harris' Buch stützt sich dabei in allen Einzelheiten auf historisch belegte Geschehnisse, es handelt sich also mehr um eine Biografie, die als Roman verpackt ist und in der Lücken mit den am ehesten wahrscheinlichen Ereignissen gefüllt wurden.
Als Ich-Erzähler berichtet der Schreiber Tiro rückblickend aus Ciceros Leben - ein sehr kluger Schachzug des Autors, denn als Sekretär war Tiro, den es tatsächlich gegeben hat und der eine heute leider nicht mehr existente Biografie Ciceros verfasste, bei wichtigen Anlässen meistens im Hintergrund dabei, um sie zu protokollieren. Zu diesem Zweck hatte er eigens eine Kurzschrift entwickelt, die heute noch bekannt ist. Tiro erhielt durch seine Arbeit tiefe Einblicke in das komplizierte Politikgeflecht, das das alte Rom ausmachte, und in die Pläne und Absichten der Reichen und Mächtigen.
"Imperium" bedeutet "politische Macht", und der ehrgeizige Cicero strebt schon früh das allerhöchste Imperium im alten Rom an: das Konsulat. Als
homo novus, der aus dem Ritterstand empor strebt, macht er sich schnell viele Anhänger im Volk, bei den Aristokraten hingegen ist er verachtet oder sogar verhasst - keine gute Voraussetzung für das höchste Amt Roms.
Der junge Cicero, den Tiro zu Beginn des Romans kennen lernt, hat noch wenig gemein mit dem späteren Staatsmann. Er wirkt kränklich und niedergeschlagen, seine Stimme ist wenig eindrucksvoll. Mit Tiro bereist er daher Griechenland und Kleinasien, um bei den besten Lehrmeistern die Kunst des Redeschreibens, des Vortrags und der Überzeugung von Menschenmassen allein durch die Kraft seiner Stimme zu erlernen. Zurück in Rom wird Cicero schnell ein begehrter Anwalt, jedoch bleibt er stets im Ansehen zurück hinter seinem größten Konkurrenten Hortensius, dem berühmtesten Rechtsanwalt der damaligen Zeit. Als jedoch ein Klient aus Sizilien um Hilfe in einem äußerst schwierigen Fall bittet, sieht Cicero seine Chance gekommen. Er erhebt Anklage gegen Gaius Verres, den korrupten Statthalter von Sizilien, der das sizilianische Volk ausbeutet, sich an ihren Kunstschätzen bereichert, drakonische Strafen verhängt und auch vor Mord nicht zurückschreckt. Verteidiger von Verres ist kein anderer als ausgerechnet Hortensius. Ein für die Rechtsgeschichte beispielloser Prozess nimmt seinen Lauf.
Der Autor widmet dem berühmten Gerichtsprozess gegen Gaius Verres, durch den Cicero berühmt wurde, gut die Hälfte des Romans. Obgleich hier keine "Action" statt findet und obwohl keine mörderischen Intrigen, wie man sie so oft in historischen Romanen findet, passieren, fesselt die Handlung von der allerersten Seite an. Man wähnt sich in einem hoch spannenden Gerichtsthriller, der keine Sekunde langweilig ist. Robert Harris beschreibt Ciceros weiteren Werdegang und seinen Aufstieg über die Ämter des Ädils und des Prätors bis hin zum Konsulat mit faszinierenden Details, offenbart dem Leser mit fortschreitender Handlung immer stärker Ciceros herausragenden Intellekt, seinen Mut und sein Geschick als brillanter Stratege, wobei er ihn sehr menschlich darstellt. Gleichzeitig gibt Harris ein hervorragendes Abbild des komplexen Machtgefüges, das Rom damals zusammen hielt und das Reich gleichzeitig auf seinen Untergang zutrieb. Kein berühmter Name, der hier nicht fällt - Caesar, Cato, Crassus, Catilina, Sulla, Pompeius ... Dem Leser wird durchgängig einiges an Konzentration abverlangt, aber er wird dafür mit einem genialen Historienroman belohnt. Was dieses Buch noch abgerundet hätte, wäre ein Anhang gewesen, der zum einen die schier unüberschaubare Anzahl an wichtigen Personen und zum anderen die politischen Ämter erläutert. So ist für denjenigen, der sich bereits mit der Republik Rom beschäftigt hat, einiges klar, was anderen Lesern kompliziert und schwierig erscheinen mag.
Dem Autor ist mit "Imperium" ein Meisterstück gelungen, das weitaus spannender und lebensechter ist als sein hoch gelobter Roman "Pompeji". Eine unbedingte Kaufempfehlung! Selten wurden Politik und Geschichte so hautnah, so faszinierend und mitreißend beschrieben. Die Handlung endet mit Ciceros Wahl zum Konsul und klammert somit die weiteren brisanten Ereignisse, die sich in den Jahren danach ereignet haben, aus - die Verschwörung Catilinas, der die Ermordung Ciceros plante, und die Latein-Schülern sicherlich aus Ciceros berühmten "Vier Reden gegen Catilina" ein Begriff ist. Nach der letzten Seite wagt man fast zwangsläufig einen Vergleich mit dem heutigen Politikgeschäft - und wünscht sich insgeheim leidenschaftliche Politiker von der Klasse Ciceros.