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 Performativität erfahren

Aktionskunst lehren - Aktionskunst lernen


Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Preis - Leistungs - Verhältnis


Die Kunst der Performance ist eine sehr junge und doch auch unglaublich alte. Die Aktionskunst ist ein Kind der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, und doch gab es schon immer Menschen, die mit Mitteln der Aktionskunst Menschen unterhielten oder aus diversesten politischen Gründen protestierten. Marie-Luise Lange hat ein Buch für den Schibri-Verlag zusammengestellt, in dem das Problem gewälzt wird, ob und wie Performativität gelehrt werden kann. Dazu gibt es jede Menge Beiträge von Aktionskünstlern aus aller Welt.

Nach einer sehr komplexen Einführung durch die Herausgeberin gibt es eine Menge Definitionen und Meinungen zur Performance, dabei sind sehr theoretische Parts, denen sehr klare und praktische Tipps entgegenstehen. Siglinde Kallnbach führt im ersten Kapitel des Buches ein klares Plädoyer gegen die Lehrbarkeit von Aktionskunst, und ein bisschen behält sie durch das ganze Buch hindurch Recht. So ganz klar sind die Vertreter der Aktionskunst nämlich nicht, was eben diese so ausmacht. Oft geht es um das Spiel mit der eigenen Biografie, dem Verarbeiten von vorgegebenen Themen und dem Umgang mit Gegenständen, die vorsichtshalber nie Requisiten genannt werden. Ganz wichtig ist den Aktionskünstlern nämlich fast durchgehend die klare Abgrenzung vom Theater. Schauspielerische Herangehensweise wird als künstlich und unkünstlerisch verdammt. Nur die letzte Autorin, Christel Grissmer, die aus der Theaterpädagogik kommt, hat logischerweise diese Tendenz nicht. Andererseits beziehen sich aber mehrere Autoren auf Augusto Boal, der auch ein Guru der Theaterpädagogik ist. Auch viele praktische Übungen sind aus der Theaterarbeit entlehnt. Letztendlich wäre der Ansatz, dass sich beide Kunstformen durchaus durchmischen, wohl der naheliegendste.

Die Ansätze der Autoren sind genauso verschieden wie die Möglichkeiten der Aktionskunst. Das schwankt zwischen dem Genieprinzip - also dass nur dann Kunst zu erwarten ist, wenn sie ungelernt ist und aus dem Genie entspringt - und dem Versuch, sich über Übungen, Körper- und Materialarbeit an diese Kunstform heranzuarbeiten. Wichtige Stichworte sind neben Körper und Material immer auch der Ort und die Zeit, die alles beeinflusst - und hier ist dann wirklich ein Unterschied zum Theater, nicht im Fehlen des Textes, denn der ist ja auch nur Material, sondern darin, dass die Aktionskunst - oder zumindest die hier versammelten Vertreter - die Rezipienten ziemlich stark ausklammert. Das Publikum tritt hinter dem Künstler zurück, klingt relativ fragwürdig, ist aber eine starke Tendenz des Buches.

Die Ausrichtung des Buches ist klar am Fachpublikum orientiert, und dabei dann auch noch stärker am wissenschaftlich-theoretisch interessierten. Speziell die Herausgeberin wirft sich so sehr in die Sprache der Wissenschaft - im Titel mag es schon anklingen -, dass der Laie sicherlich kaum etwas versteht, nur wie so oft, wenn die Sprache in wissenschaftlichen Phrasen ertrinkt, bleibt auch die Aussage ein bisschen wässrig.

Und so bleibt eine informative Mischung mit einigen interessanten praktischen Tipps und viel Theorie, die ziemlich allgemein bleibt, vieles ist genauso auf Improvisations- und/oder Straßentheater anwendbar, die ja auch nahe Verwandte der Performance sind. In Teilen ist das Buch unnötig kompliziert und fachsprachlich, in anderen sehr praktisch und zupackend. Da fehlt vielleicht auch ein bisschen die Konsequenz.

Holger Hennig



Softcover | Erschienen: 01. November 2006 | ISBN: 3937895426 | Preis: 28,00 Euro | 248 Seiten | Sprache: Deutsch

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